Das Saarland braucht eine mutige „Agenda 2030“

Wenn die wiedergewählte große Koalition ihren Zweck erfüllen will, darf sie sich nicht mit kleinen Schritten begnügen. Die Ministerpräsidentin hat im Wahlkampf gesagt: "Wir haben große Reformen in diesem Land vor uns. Viele Strukturen werden sich verändern." Es war eine unmissverständliche Ansage, dass die überfällige Reform der kommunalen Verwaltungsstrukturen kommen wird.

Leider haben CDU und SPD im Wahlkampf das wichtigste Thema der nächsten Jahre versteckt. Man kann nur hoffen, dass diese Hasenfüßigkeit kein Vorgeschmack auf die nächsten fünf Jahre war. Das Thema ist für die Zukunft des Landes zu wichtig, jedenfalls bedeutender als die Frage, ob die Eltern besser über einen Kinderbonus oder eine Absenkung der Kita-Gebühren entlastet werden.

CDU und SPD müssen in den anstehenden Koalitionsverhandlungen eine "Agenda 2030" entwerfen und den Blockierern in den eigenen Reihen klarmachen, dass sich das Land keine Eitelkeiten und Befindlichkeiten mehr leisten kann. Seit der letzten großen Gebiets- und Verwaltungsreform im Jahr 1974 hat es so viele Menschen verloren, wie Neunkirchen, Saarlouis und St. Wendel zusammen Einwohner haben. Bis 2030 wird die Bevölkerung voraussichtlich noch einmal im Umfang der Städte Homburg, Völklingen und Dillingen schrumpfen. Niemand, der klar bei Verstand ist, wird behaupten, dass alle Strukturen so bleiben können.

Die Saarbrücker Oberbürgermeisterin Charlotte Britz hat vor Wochen eine Gebietsreform gefordert, sie will die Kommunen des Regionalverbandes in ihre Stadt aufnehmen. Es war keine neue Idee und man kann darüber streiten, ob sie wirklich originell ist, aber es war zumindest ein Ansatz. Diesen Mut hat die Koalition bisher nicht aufgebracht. Seit zwei Jahren haben CDU und SPD Konzepte für eine Funktionalreform in der Schublade. Jetzt gibt es keine Entschuldigung mehr.

Die Zusammenarbeit über Gemeindegrenzen hinweg muss massiv ausgeweitet werden, bis hin zur kreis- oder landesweiten Zentralisierung von Aufgaben. Die Sorge, dass die Bürger das nicht wollen, ist unbegründet. Die Bürger hindern die Politik an gar nichts, wie Projekte in den Landkreisen St. Wendel und Saarlouis zeigen. Wenn jemand bremst, sind es die Verwaltungen selbst.

Man sollte aber ehrlicherweise nicht zu viel erwarten. Das drängendste Problem der Kommunen sind nicht die Personalkosten, sondern die explodierenden Sozialkosten, die in der schwierigen Sozialstruktur des Landes wurzeln. Weder eine Funktional- noch eine Gebietsreform würde dieses Problem, das beängstigende Ausmaße angenommen hat, lösen. Das darf aber keine Ausrede sein. Wenn das Sozialkosten-Problem mit Hilfe des Bundes verschwinden würde, hätten die Saar-Kommunen immer noch sehr wenig Geld. An einer Reform der Strukturen führt daher kein Weg vorbei, sie muss das zentrale Projekt der großen Koalition werden. Alles andere hätte auch eine kleine Koalition gekonnt.

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