Das Kleinreden geht weiter

Meinung · Ein Jahr danach hat sich der Nebel gelichtet. Viele Puzzleteile sind zusammengesetzt, warum der braune Terror jahrelang in Deutschland Menschen ermorden konnte

Ein Jahr danach hat sich der Nebel gelichtet. Viele Puzzleteile sind zusammengesetzt, warum der braune Terror jahrelang in Deutschland Menschen ermorden konnte. Als vor einem Jahr die Wohnung des NSU-Trios in Zwickau in die Luft flog und zwei von ihnen in einem Wohnmobil Selbstmord begingen, ahnte allerdings noch niemand, wie rasant die Sicherheitsbehörden das Zutrauen in ihren Kampf gegen den Rechtsextremismus verspielen würden.Ein Jahr danach gilt als bewiesen: Einige Morde von Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe hätten verhindert werden können. Wenn man die braune Gefahr nicht von Anfang an bagatellisiert hätte. Und wenn nicht politisch die Losung ausgegeben worden wäre: Es kann nicht sein, was nicht sein darf. In nur einem Jahr haben zahlreiche Untersuchungsausschüsse und auch die Medien ein nicht für möglich gehaltenes Wirrwarr bei den Behörden an die Oberfläche gefördert: Akten wurden vernichtet, Informationsaustausch fand nur unzureichend oder gar nicht statt, Quellen wurden nicht ausgewertet. Nach dem Auffliegen des Trios wurde dann auch noch versucht, Pannen und Peinlichkeiten aus dem grotesken Eigenleben einiger Ämter zu vertuschen. Und immer noch stellen sich Verantwortliche hin und wollen von Fehlern nicht sprechen. Das ist angesichts der Erkenntnislage, aber besonders in Anbetracht von zehn Toten in 13 Jahren bitter und beschämend.

Schlimm ist zudem, dass das Kleinreden der rechtsextremistischen Gefahr nicht aufgehört hat. Opfer rechter Gewalt berichten immer noch, ihnen fehle es an Unterstützung. Zu oft wird vergessen, dass der Terror des NSU nicht ohne das alltägliche Ausmaß des Rechtsextremismus in Deutschland gesehen werden darf. Die Taten der drei Terroristen und ihrer Unterstützer sind die schreckliche Spitze eines Eisbergs rechten Treibens, das sich in vielen Kommunen inzwischen als völlig normal darstellt. Die Zeiten, in denen Neonazis durch ihre Aufmärsche provoziert haben, sind weitgehend vorbei. Heute versuchen sie, in das Alltagsleben der Menschen vorzudringen. Dabei geben sie sich offen, hilfreich und angepasst. Der Gewaltausbruch steht nicht am Anfang einer rechten Karriere, sondern am Ende. Die NSU-Morde lehren deshalb auch: Die Prävention muss endlich hartnäckiger vorangetrieben werden.

Was man im Kampf gegen den islamistischen Terror begriffen hat, ist im sicherheitspolitischen Denken über den Rechtsextremismus noch längst nicht angekommen. Gefährdungen und Täter halten überdies nicht an föderalen Grenzen an. Vorschläge zur Reform der Sicherheitsarchitektur liegen auf dem Tisch, das ist gut so. Doch die Umsetzung stockt. Reformen zu verkünden, heißt eben nicht, sie auch wirklich zu wollen.

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