Das grüne Dilemma

Es gibt deutliche Unterschiede beim Umgang der Parteien mit der Sicherheitspolitik . Zwar ringen Union und SPD um die richtigen Maßnahmen, aber dahinter verbirgt sich doch ein gemeinsames Ziel: Deutschland soll sicherer werden. Was ist dafür sinnvoll und was nicht? Darüber hat Innenminister Thomas de Maizière mit seinen umfangreichen Vorschlägen zur künftigen Sicherheits-Architektur die Debatte für den Wahlkampf eröffnet. Auch als Annäherung an die derzeit in Klausur befindliche CSU und zugleich als Signal, dass man das Feld nicht der bayrischen Schwester überlassen wird. Schon gar nicht der SPD , der es seit dem Abgang ihres letzten roten Sheriffs, Otto Schily , sowieso an sicherheitspolitischer Strahlkraft mangelt.

Bei den Grünen liegt die Sache etwas anders. Sie streiten nicht nur um Maßnahmen, sondern auch gleich um die Richtung. Dabei verkennen sie, dass sie am Willen der meisten Bürger vorbei agieren. Selbst bei der grünen Klientel ist das Gefühl inzwischen weit verbreitet, dass sich im Land was verändern muss, um terroristischen Gefahren besser begegnen zu können. Seit dem verheerenden Anschlag in Berlin umso mehr. Auch viele grüne Anhänger erkennen an, dass die Kölner Silvesternacht vor einem Jahr eine Zäsur darstellt, dass die Polizei diesmal besser vorbereitet war und nach eigenem Bekunden durch konsequentes Vorgehen gegen nordafrikanische Männergruppen neue Straftaten verhindern konnte. Das Gefühl der Notwendigkeit von Veränderungen wird also mit Fakten unterlegt - und damit zur Gewissheit. Das macht es für die grüne Partei noch schwieriger.

Zumal manch einer wie immer reagiert: reflexartig. Mit viel Verständnis für die Falschen und viel unterschwelliger Kritik an jenen, die für den Staat stehen und das Recht unter immer schwieriger werdenden Bedingungen schützen. Als ob sich das Land und die Gesellschaft nicht verändern hätten. Prinzipiell ist es ja richtig, dem Staat nicht bedingungslos zu vertrauen. Prinzipiell ist es auch nötig, kritisch zu sein und nachzufragen. Nur der Zeitpunkt ist falsch. Bei der inneren Sicherheit ist die Realität über die Grünen hinweggefegt. Ihnen fehlen überzeugende Antworten. Was wiederum nicht neu ist: Schon seit Jahren hat die Partei ein Händchen dafür, in Kernfragen programmatisch an gesellschaftlichen Erwartungen vorbei zu operieren. Der Veggie Day und die Steuererhöhungen aus dem Wahlkampf 2013 lassen grüßen. Jetzt also die innere Sicherheit.

Deshalb fängt das Bundestagswahljahr für die Ökopaxe so mies an, wie das vorige durch den ebenfalls bizarren Streit um Steuerfragen endete. Ob die Partei es schafft, sich in den nächsten Wochen aus ihrem inhaltlichen Dilemma zu befreien, wird spannend zu beobachten sein. Die Chancen stehen schlecht.

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