Das Finanzamt als stiller Teilhaber

Berlin · Wie erwartet hat das Bun desverfassungsgericht im Dezember die weitreichenden Vergünstigungen für Unternehmensübergaben bei der Erbschaftsteuer für verfassungswidrig erklärt. Solche Vergünstigungen seien zwar grundsätzlich zulässig, die geltenden Regelungen aber unverhältnismäßig und nicht zielgenau.

Bis Mitte 2016 muss das Gesetz reformiert werden.

Ein vernünftiges Urteil. Denn bisher können Unternehmen und -beteiligungen weitgehend privilegiert oder sogar völlig steuerfrei übertragen werden, wenn die Nachfolger die Firma fünf oder sieben Jahre lang weiter führen. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes wurden von 2009 bis 2013 mehr als 100 Milliarden Euro Unternehmensvermögen steuerfrei übertragen und damit knapp 30 Milliarden Euro Erbschaftsteuer gespart.

Bedenklich ist vor allem die unbegrenzte Höhe der Firmenprivilegien. Dadurch können auch Beteiligungen an Großbetrieben steuerfrei übertragen werden, bei denen weder Unternehmensnachfolge noch Arbeitsplätze gefährdet sind. Dabei geht es um zwei- bis dreistellige Millionenbeträge, mitunter sogar Milliarden. Beim "Normalbürger" dagegen werden Immobilien und Finanzvermögen jenseits der persönlichen Freibeträge schnell mit Steuersätzen von elf bis 15 Prozent belastet. Das stellt die Belastungskonzeption der Erbschaftsteuer auf den Kopf, die den leistungslosen Zufluss hoher Vermögen progressiv belasten will und damit auch die Chancengleichheit in der Leistungsgesellschaft verbessern soll.

Den legitimen Kern der Begünstigungen für Betriebsvermögen hat das Bundesverfassungsgericht anerkannt. Denn Liquiditäts- und Finanzierungsprobleme wegen hoher Erbschaftsteuerzahlungen können vor allem kleine und mittlere inhabergeführte Unternehmen belasten. Die Verschuldungsmöglichkeiten sind hier meist begrenzt oder teuer, und man kann nicht einfach fremde Gesellschafter in die Firma hineinnehmen. Insoweit lassen sich Freibeträge oder Abschläge auf das steuerpflichtige Vermögen rechtfertigen. Die sollten aber auf das betriebsnotwendige Vermögen begrenzt und in der Höhe gedeckelt werden, etwa auf ein bis zwei Millionen Euro.

Kürzen sollte man die Vergünstigung um "Verwaltungsvermögen" der Unternehmen, wie es das Gericht nahelegt - also Vermögenswerte, die nicht unbedingt für den Betrieb benötigt werden. Zudem könnte man sonstiges übertragenes sowie vorhandenes Vermögen des Erben anrechnen, bei Schenkungen auch das sonstige Vermögen des Schenkers. Denn in diesen Fällen ist Geld zur Finanzierung der Steuerzahlung vorhanden, ohne dass der Firma betriebsnotwendiges Kapital entzogen wird.

Verbleibende Steuerforderungen sollten ohne besondere Voraussetzungen langfristig gestundet oder verrentet werden, damit die Unternehmensnachfolger sie aus dem laufenden Ertrag abzahlen können. Um die Finanzierungsmöglichkeiten und Krisenfestigkeit der Firmen nicht einzuschränken, ließe sich die Steuerforderung anderen Verbindlichkeiten nachordnen oder an den wirtschaftlichen Erfolg knüpfen. Damit würde der Fiskus zu einer Art stillem Teilhaber des Unternehmens, bis die Steuerschuld abgetragen ist. Das würde auch größeren Mittelständlern und Großunternehmen im Familienbesitz helfen. Deren familiengebundene Fortführung würde dann nicht behindert, und komplizierte Bedürftigkeitsprüfungen wären überflüssig. Stefan Bach ist Steuer-Experte am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin .

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