Das Fanal von Athen

Meinung · Man muss sich das mal vorstellen: Das eigene Gehalt und die Leistungen des Staates werden um ein Drittel gekürzt. Und zwar nicht nur einmal, sondern dauerhaft. Die dramatischen Folgen der Not-Operation, mit der sich Griechenland jetzt vor dem Bankrott retten will, übersteigt die Vorstellungskraft jener, die nicht davon betroffen sind

Man muss sich das mal vorstellen: Das eigene Gehalt und die Leistungen des Staates werden um ein Drittel gekürzt. Und zwar nicht nur einmal, sondern dauerhaft. Die dramatischen Folgen der Not-Operation, mit der sich Griechenland jetzt vor dem Bankrott retten will, übersteigt die Vorstellungskraft jener, die nicht davon betroffen sind. Was man sich auch nicht vorstellen konnte, ist die Dreistigkeit der wahren Schuldigen der Euro-Krise, die nun mit scheinheiligem Aktionismus vorgeben, Unschuldslämmer zu sein. Zu ihnen gehören die gesamte EU-Kommission, die Präsidien der Europäischen Zentralbank und der Deutschen Bundesbank, der ehemalige Bundeskanzler Gerhard Schröder ebenso wie die heutige Kanzlerin Angela Merkel, große Teile des Deutschen Bundestages und des Europäischen Parlaments sowie die Regierungschefs und Abgeordneten vieler anderer Länder. Man kann es auf einen einfachen Nenner bringen: Die Politik ist schuld. Sie hat jahrelang "politische" Entscheidungen getroffen und sachliche Argumente ausgeblendet. Sie hat versagt - und weggeschaut.Gewiss, die Griechen haben geschummelt beim Euro-Beitritt und in betrügerischer Absicht falsche Zahlen geliefert. Dafür müssen sie jetzt bitter büßen, der aufflammende Protest wird daran nichts ändern. Aber wer hat die Zahlen kontrolliert? Wer hat die harten Stabilitätskriterien für den Euro aufgeweicht und daraus butterweiche Schaumkronen geschlagen? Jeder Bank-Kunde, der heute einen Kredit haben will, wird buchstäblich geröntgt - aber bei einer ganzen Volkswirtschaft will niemand etwas bemerkt haben? Da würde man schon gern wissen, was die vielen "Experten" und rund 40 000 EU-Beamten in Brüssel und Straßburg eigentlich den ganzen Tag lang tun. Noch schwerer wiegen indes die gebrochenen Versprechen unserer Regenten. Die Sonntagsreden nach der Banken- und Finanzmarktkrise, ob von Merkel, Obama, Sarkozy oder Juncker, klingen uns noch in den Ohren. Doch was ist seither passiert? Was haben unsere gewählten Volksvertreter konkret gegen ein höhnisches Finanzmarkt-System unternommen, das ungeniert Gewinne privatisiert und Verluste sozialisiert? Die griechische Tragödie wirft ein grelles Licht auch auf andere Sünder, nahezu alle Euro-Länder leben über ihre Verhältnisse und nähren mit ihren hochverzinslichen Anleihen die Gier der Spekulanten. Das Fanal von Athen sollte den Politikern endlich den Mut und die Kraft geben, mit schärferen Regeln und einer Transaktionssteuer das unselige Casino-Treiben in geordnete Bahnen zu lenken.

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