Das Ende der Blauäugigkeit

So wie die Rechten in der Flüchtlingsfrage schon das Abendland untergehen sehen, gibt es auch maßlose Übertreibungen auf der linken Seite. "Menschenrechte in Gefahr" rufen die Pro-Asyl-Organisationen wegen des zweiten Asylpakets, und im Parlament spuckt die Opposition angewidert Attribute wie "ekelhaft" und "schäbig" aus.

Gemach. Ein Land, das gerade 1,1 Millionen Flüchtlinge aufgenommen hat und auf allen Ebenen nichts anderes macht, als diese Herausforderung täglich zu bewältigen - ein solches Land muss sich wahrlich nicht beschimpfen lassen. Es ist doch nur die schiere Menge der Ankommenden, die bedingt, dass man nun stärker unterscheiden muss zwischen echten Kriegsflüchtlingen und Verfolgten sowie jenen, die aus rein wirtschaftlichen Gründen kommen. Und nur wegen der hohen Zahl der Ankommenden werden Abschiebungen nun konsequenter durchgeführt.

Das Asylpaket II bedeutet zwar das Ende der bisherigen Nonchalance im Umgang mit Wirtschaftsflüchtlingen und auch kriminellen Asylbewerbern. Auch ein Ende der gewissen Blauäugigkeit, die man sich bei kleinen Zahlen leisten konnte. Aber eine Kehrtwende ist es nicht. Denn drei Kernelemente bleiben: Erstens das Asylrecht selbst. Niemandem wird eine ordentliche Prüfung verweigert. Es gibt weiterhin keine Stacheldrahtzäune, wie sie viele andere Länder schon hochziehen. Und auch keine Obergrenzen. Das ist fast einzigartig in Europa.

Zweitens versucht Deutschland nicht, die Flüchtlinge mit Schikanen abzuschrecken. Eine Ausnahme mögen Einschränkungen beim Familiennachzug sein - jedoch treffen sie vorerst eine sehr kleine Gruppe. Und drittens wird sehr viel Geld ausgegeben, um die Menschen in die Gesellschaft zu integrieren. Keine Ausgrenzung, sondern Sprachkurse, Kinderbetreuung, Schul- und Berufsausbildung, Wohnungsbau. Auch das ist einzigartig auf dem Kontinent.

Wer immer behauptet, Deutschlands Politik sei flüchtlingsfeindlich, lebt auf einem anderen Stern. Freilich wird im Hintergrund schon über ein drittes Asylpaket diskutiert, mit einer Einschränkung der freien Wohnortwahl als Kernbestandteil. Angeblich, um Ghetto-Bildungen in den Großstädten zu vermeiden. Das ist bei jenen, die auf Sozialhilfe angewiesen sind oder deren Status noch nicht geklärt ist, völlig in Ordnung. Bei allen anderen aber, die schon anerkannt sind und sich selbst versorgen, wäre das eine inakzeptable Einschränkung von grundlegenden Freiheitsrechten und das Ende der Willkommenskultur. Warum versuchen es die ländlichen Regionen in den Aufnahmelagern nicht mal mit Werbung für sich und ihre Vorzüge? Mit Wohnungsvermittlung, Jobangeboten und Schnupperaufenthalten. Nur so als Idee.

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