CSU wagt Quantensprung bei der Partei-Reform

Nürnberg. Es stehen keine Neuwahlen des Vorstands an und es muss auch kein Wahlkampf vorbereitet werden. Dennoch könnte der heute in Nürnberg beginnende 75. CSU-Parteitag nach Ansicht von CSU-Chef Horst Seehofer historische Bedeutung für die Partei bekommen. "Wir haben einen großen Reformparteitag", sagt Seehofer

Nürnberg. Es stehen keine Neuwahlen des Vorstands an und es muss auch kein Wahlkampf vorbereitet werden. Dennoch könnte der heute in Nürnberg beginnende 75. CSU-Parteitag nach Ansicht von CSU-Chef Horst Seehofer historische Bedeutung für die Partei bekommen. "Wir haben einen großen Reformparteitag", sagt Seehofer. Nachdem die Christsozialen zuletzt wachsende Ablehnung bei jungen und weiblichen Wählern zu spüren bekommen haben, will Seehofer der konservativsten Bundestagspartei eine umfassende Modernisierung verpassen. Überlagert werden könnte die Debatte von der Diskussion um Karl-Theodor zu Guttenberg, dem CSU-Hoffnungsträger schlechthin.In Sachen Erneuerung seiner Partei verfolgt der ansonsten oft so sprunghaft wirkende Seehofer den vor seiner Wahl zum CSU-Chef vor zwei Jahren ausgegebenen Kurs konsequent. Zuerst setzte er auf eine personelle Erneuerung und brachte Guttenberg, aber auch Verbraucherministerin Ilse Aigner oder den JU-Landesvorsitzenden Stefan Müller (der 2009 mit 34 Jahren parlamentarischer Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe wurde) in Stellung. Dann nahm er sich die Parteireform vor, die nun ihren Abschluss erreichen soll. Die Vorbereitung hatte Seehofer CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt überlassen, der seit Monaten auszuloten versuchte, was die Basis der Christsozialen mitzumachen bereit ist.Zwei wesentliche Elemente stehen im Leitantrag, der heute beraten und beschlossen werden soll. Das eine ist eine Frauenquote von 40 Prozent. Diese soll künftig für die obersten Parteiebenen verbindlich, für untere Ebenen wie Kreis- und Ortsverbände als Empfehlung gelten. Für eine Partei, in der 82 Prozent der Mitglieder Männer sind, bedeutete dies einen Quantensprung. Weil der CSU-Nachwuchs gegen eine Quote ist, könnte es noch Debatten geben. Das zweite Hauptelement des Leitantrags ist eine stärkere Mitgliederbeteiligung, vor allem eine aktivere Nutzung des Internets. Besonders hebt die CSU dabei die neu geplante Online-Mitgliedschaft hervor. Losgelöst von Ortsverbänden sollen via Internet Interessierte Parteimitglied werden können, ein neu entstehender Online-Verband soll einen Sitz im Parteivorstand erhalten. Allerdings gibt es durch das Parteiengesetz, das eine eindeutige regionale Zugehörigkeit von Parteimitgliedern verlangt, einige Beschränkungen der Rechte. Andere Parteien haben deswegen die Idee von Internet-Mitgliedschaften verworfen. Ein weiteres Problem: Bei der CSU ist das World Wide Web ein Bayern-Web. Um nicht in Konkurrenz zur Schwesterpartei CDU zu treten, müssen auch Internetmitglieder in Bayern leben.Die Reformpläne der Parteispitze schlugen in den Orts- und Kreisverbänden schon vor dem Parteitag hohe Wellen. 260 Anträge stellten die Delegierten im Vorfeld. Für Spannung sorgt auch, wie die traditionell zur Wehrpflicht stehenden CSU-Delegierten Guttenbergs Pläne für die Bundeswehrreform aufnehmen werden. Eine Zustimmung gilt zwar als sicher, allerdings könnte noch von Ortsverbänden, zu denen von Schließung bedrohte Bundeswehrstandorte gehören, Kritik kommen. Die Parteitagsregie lässt Guttenberg seine Reformpläne unmittelbar vor dem Gastauftritt von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) präsentieren - angesichts der Spekulationen über Guttenbergs Chancen auf das Kanzleramt eine pikante Ansetzung.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort