60. Geburtstag Altbundespräsident Wulff blickt ohne Groll zurück

Berlin · Wäre alles optimal gelaufen, dann würde seine Dienst­anschrift noch immer „Spreeweg 1, 10557 Berlin“ lauten. Er würde zu Staatsbesuchen reisen, Botschafter anderer Staaten empfangen, Verdienstorden aushändigen, wohl formulierte Reden halten.

 Christian Wulff trat 2012 als Bundespräsident zurück.

Christian Wulff trat 2012 als Bundespräsident zurück.

Foto: dpa/Roland Weihrauch

Und vielleicht würde er schon mal erste Gedanken darauf verwenden, was er nach dem Ende seiner Amtszeit Mitte 2020 machen könnte. Wenn es optimal gelaufen wäre.

Doch bei Christian Wulff lief es nicht optimal. Seine Amtszeit als Bundespräsident endete bereits nach 598 Tagen im Februar 2012 mit einem Rücktritt. Statt im noblen Schloss Bellevue empfängt er Besucher heute in einem nüchternen Bürogebäude des Bundestags.

So jung wie er wurde zuvor niemand Bundespräsident, so schnell wurde niemand wieder aus dem Amt katapultiert – der Mann hätte Grund, verbittert zu sein. Doch wie er da in seinem Büro sitzt, über sein Leben spricht und den Zustand der Republik analysiert, vermittelt Wulff einen ausgesprochen gelassenen Eindruck. Dazu passt seine Selbstbeschreibung: „Ich bin ein zufriedener Mensch.“ Dankbar sei er für das, was er für seine Heimatstadt Osnabrück, das Land Niedersachsen und die Bundesrepublik leisten durfte. Diesen Mittwoch wird Wulff 60.

Rückblick: Am 17. Februar 2012 spricht Wulff im Schloss Bellevue die schwierigsten Sätze seiner bis dahin so erfolgreichen Laufbahn: Deutschland brauche einen uneingeschränkt handlungsfähigen und vom breiten Vertrauen der Bürger getragenen Präsidenten. Dies sei bei ihm aber nachhaltig beeinträchtigt. „Ich trete deshalb heute vom Amt des Bundespräsidenten zurück, um den Weg zügig für die Nachfolge freizumachen.“

Alles fing Wochen zuvor mit einem Bericht der „Bild“ über einen günstigen Kredit über 500 000 Euro zum Kauf eines Hauses durch eine befreundete Unternehmergattin an. Als die Staatswaltschaft Hannover schließlich die Aufhebung seiner Immunität beantragt, tritt Wulff am Tag darauf zurück. Später folgen weitere Vorwürfe der persönlichen Vorteilsnahme – die dann alle in sich zusammenfallen. Am Ende steht 2014 ein Freispruch erster Klasse. Bundespräsident ist da längst Joachim Gauck.

In seinem Buch „Ganz oben, Ganz unten“ legt Wulff, inzwischen zum zweiten Mal getrennt von Noch-Ehefrau Bettina, seine Sicht der Ereignisse dar und verarbeitet sie. Und er schließt sie für sich ab, wie er heute sagt. Nach vorne schauen, lautet seine Devise. So hält Wulff heute wieder Reden, trifft sich mit Botschaftern, pflegt internationale Kontakte – fast so, als wäre er weiter Staatsoberhaupt. Auch die Bundesrepublik vertritt er noch hin und wieder – so im Mai bei der Amtseinführung des neuen ukrainischen Präsidenten Selenskyj in Kiew.

Zu seinem neuen Tun zählen auch Ämter wie der Vorsitz der Deutschlandstiftung Integration. „Am meisten bewegt mich, wie sich der Zusammenhalt in der Gesellschaft sichern lässt“, sagt der frühere niedersächsische CDU-Ministerpräsident. „Das ist mein großes Thema.“

Am Dienstag macht er das wieder deutlich. „Die Chancen sind groß, dass der Flüchtlingszuzug zu einem Glücksfall der deutschen Geschichte“ werde, ähnlich wie die deutsche Einheit, sagt er bei einer Veranstaltung der Konrad-Adenauer-Stiftung in Hannover – und meint den Zuzug, der das Land so polarisiert hat. Der Chance stünden Fehleinschätzungen und Probleme, die es ebenso wie bei der Einheit gegeben habe, nicht im Wege. Es ist wieder so ein Satz. Ein anderer ist es vor allem, der von zwei Jahren Präsident Wulff bleibt: „Der Islam gehört inzwischen auch zu Deutschland.“ Klingt wie eine Selbstverständlichkeit, doch Hardliner in der Union können sich noch immer darüber echauffieren.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort