Chinas Partei will auf Nachhaltigkeit umschalten

China. Es wirkt wie ein Relikt aus den Zeiten der Planwirtschaft: Zum zwölften Mal hat Chinas Regierung einen Fünfjahresplan aufgestellt. Seit Samstag wird das politische Richtungspapier auf der Jahrestagung des 3000-köpfigen Nationalen Volkskongresses diskutiert, bevor es zum Abschluss - zweifellos mit überwältigender Mehrheit - abgesegnet wird

China. Es wirkt wie ein Relikt aus den Zeiten der Planwirtschaft: Zum zwölften Mal hat Chinas Regierung einen Fünfjahresplan aufgestellt. Seit Samstag wird das politische Richtungspapier auf der Jahrestagung des 3000-köpfigen Nationalen Volkskongresses diskutiert, bevor es zum Abschluss - zweifellos mit überwältigender Mehrheit - abgesegnet wird. Doch trotz des antiquiert anmutenden Rituals ist der Fünfjahresplan mehr als eine sozialistische Pflichtübung. Waren die volkswirtschaftlichen Lastenbücher unter dem bis 1976 herrschenden Parteichef Mao Zedong noch vermessene politische Wunschlisten, so versteht die Kommunistische Partei sie heute als Reformblaupause für die strukturellen Probleme ihres Landes. Vor allem bei der Frage der wachsenden Kluft zwischen Arm und Reich sowie der grassierenden Umweltverschmutzung will Peking in den kommenden fünf Jahren die Wende schaffen.Im Zentrum steht dabei die Erkenntnis, dass nicht alles Wachstum gutes Wachstum ist. Denn bisher verdankt China seinen Boom maßgeblich hohen Investitionen in Industrien, die wertvolles Ackerland weitflächig in Bauland umwandelten, ihre Angestellten schlecht bezahlten und wenig Rücksicht auf die Umwelt nehmen. Dass dieses Modell nicht nachhaltig sein kann, haben Pekings Wirtschaftslenker schon lange erkannt, doch die Gelegenheit für grundlegende Weichenstellungen bietet sich nur alle fünf Jahre.

Vor allem die ärmeren Bevölkerungsschichten, die sich in den vergangenen Jahren zunehmend als Entwicklungsverlierer gefühlt haben, sollen nun unterstützt werden. Zu den neu gesetzten Zielen gehört ein Anstieg der Mindestlöhne um jährlich 13 Prozent. Damit sollen die niedrigen Einkommen künftig deutlich schneller wachsen als die Gesamtwirtschaft. 2010 stieg das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 10,3 Prozent, eine Rate, die jedoch auf sieben Prozent gedrosselt werden soll, um ein "gesünderes" und "grüneres" Wachstum zu ermöglichen. In fünf Jahren sollen erstmals mehr als die Hälfte der Chinesen in Städten leben, wo man 45 Millionen neue Jobs anstrebt. Die Ausgaben für Bildung, Wissenschaft, Gesundheitssystem und öffentlichen Wohnungsbau will die Regierung stark erhöhen. "Wir müssen dafür arbeiten, dass der Wohlstand alle erreicht und jeder von den Früchten der Entwicklung etwas abbekommt", erklärte Premier Wen Jiabao.

Allerdings hängt das Erreichen der langfristigen Ziele maßgeblich davon ab, ob China auch die kurzfristigen Herausforderungen bewältigt. Chinas Sorgenthema Nummer eins ist derzeit die Inflation, die im Januar bei 4,9 Prozent lag. Vor allem die schnell steigenden Lebensmittelpreise machen den Menschen das Leben schwer. Auch ein anderes akutes Problem wird sich mit dem Fünfjahresplan nicht beheben lassen: die grassierende Korruption.

Kritiker meinen, dass sich der Staatsapparat nur sanieren ließe, wenn Peking neben wirtschaftlichen auch zu politischen Reformen bereit wäre. Doch damit ist in den kommenden fünf Jahren nicht zu rechnen. Zwar haben die Revolten gegen Nordafrikas Diktatoren die Partei in höchste Alarmbereitschaft versetzt. Sie fürchtet, dass auch die Chinesen über die Legitimität ihrer Regierung nachzudenken beginnen könnten. Sollte es der Partei aber gelingen, die Ziele des neuen Fünf-Jahres-Plans tatsächlich zu erreichen, wird die Frage nach Demokratie nur einen kleinen Teil des Volkes interessieren.

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