Südosteuropa Chinas Kaufrausch mit vielen Schattenseiten

Athen/Belgrad · Für Touristen ist Piräus im Sommer der quirlige Athener Fährhafen, wo die Urlaubsreise zu den ägäischen Insel beginnt. Doch nur wenige hundert Meter entfernt, hinter einem kleinen Hügel und Absperrungen verborgen, liegt eine ganz andere Welt: sie besteht aus Kränen und Containern, so weit das Auge reicht.

Willkommen im Containerhafen Piräus! Hier hat man die Menge der umgeschlagenen Waren in zehn Jahren verzehnfacht. Bald soll die weitläufige Anlage zum größten Umschlaghafen des Mittelmeers werden. Das Besondere: Regie führt hier der Transportkonzern Cosco aus China. 2008 hat das Staatsunternehmen im Zuge der Privatisierung 51 Prozent des Hafens für 40 Jahre gepachtet – und 2016 einen Mehrheitsanteil an der griechischen Betreibergesellschaft PPA erworben.

Die Akquisition ist Teil einer Strategie Pekings, die auf Europa abzielt: Der Containerhafen Piräus ist Angelpunkt und Drehscheibe für chinesische Warenströme für den alten Kontinent. Es ist der Kern einer globalen Handelsstrategie Chinas, meist firmiert sie unter dem Namen „Neue Seidenstraße“. Erklärtes Ziel: Die Schaffung von Verkehrswegen auf dem Land und zur See, um chinesische Waren nach Europa zu pumpen. Nebenbei versucht sich Peking als immer präsentere Wirtschafts- und Handelsmacht politischen Einfluss in Europa zu sichern. Chinas Präsident Xi Jinping hatte die Strategie 2013 zur höchsten Priorität erklärt.

Auf dem Balkan steht für China die Schaffung von Infrastruktur im Vordergrund. Da werden Brücken in Serbien und in Kroatien gebaut. Neue Schienen sollen die Fahrtzeit der Züge zwischen Budapest und Belgrad von derzeit acht auf vier Stunden reduzieren. Investiert wird auch in Stahlwerke und Heizkraftwerke. Die chinesischen Bauunternehmen bringen oft ihre eigenen Arbeiter mit. Für Finanzierungen steht die chinesische Exim-Bank bereit. In den Hafen Piräus hat China 1,2 Milliarden Euro investiert, der Auftragswert für die Budapest-Belgrad-Bahn beträgt 3,7 Milliarden Euro. Anders als bei EU-Projekten werden die Vorhaben umstandslos und unbürokratisch umgesetzt. China handelt die Bedingungen grundsätzlich direkt mit den betreffenden Regierungen aus. Oder wie es Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban Anfang 2018 formulierte: „Wenn uns die EU keine finanzielle Unterstützung gewähren kann, wenden wir uns an China.“

Mit dem Format „16+1“ schuf sich Peking im Jahr 2012 ein Forum, bei dem 16 Länder aus Südost-, Mittel-, und Osteuropa mit am Tisch sitzen. Darunter sind EU-Mitglieder ebenso wie Nicht-Mitglieder. Substanzielle Verhandlungen finden aber stets bilateral statt.

Der chinesische Ansatz hat auch Schattenseiten. Dass nur Regierung mit Regierung redet, führe zu Intransparenz, lasse die betroffenen Kommunen und Bürger außen vor, meinen Kritiker. „Für Serbien ist diese Art von Zusammenarbeit in Wirklichkeit nicht von Vorteil“, sagt der Belgrader Wirtschaftswissenschaftler Mahmud Busatlija. Oft kommt bei chinesischen Projekten der Verdacht auf, dass Regeln und Standards der EU nicht viel zählen. In der Union wird das inzwischen durchaus problematisch gesehen. „China war sehr erfolgreich darin, sich als ein Land zu präsentieren, das nur geschäftliche Interessen verfolgt“, erklärte EU-Erweiterungskommissar Johannes Hahn im Dezember. „Aber das Gegenteil ist der Fall.“ China exportiere ein Gesellschaftsmodell, das es auch in Europa salonfähig machen möchte: eine Mischung aus Diktatur und Turbokapitalismus.

Zugleich lässt die Strahlkraft der EU in der Region nach. Ein Europa, das mit eigenen schweren Krisen wie dem Brexit kämpft, erweckt den Eindruck, nur mit sich selbst beschäftigt zu sein. Beitrittsperspektiven, die in immer fernere Zukunft rücken, geben den Menschen in den Balkanstaaten das Gefühl, im „Warteraum der EU“ festzustecken. Als alternative Akteure treten in Südosteuropa neben China seit langem auch Russland und die Türkei auf.

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