Chinas Autokratie wird zum gefährlichen Erfolgsmodell

Die EU bröckelt, in den USA regiert ein unberechenbarer Demagoge. China wirkt dagegen wie ein Hort der Stabilität. Diese Lage nutzen die allein regierenden Kommunisten für ihre Propaganda nach Kräften aus: Am Wochenende sind in Peking die 2862 Abgeordneten des Nationalen Volkskongresses zusammengekommen, um die gelenkte "Demokratie im chinesischen Stil" zu feiern. Selbst wenn die Bürger des Landes längst kein echtes Interesse mehr für die TV-Bilder von den vielen roten Fahnen aufbringen: Sie wissen das vertraute, würdevolle Schauspiel zu schätzen.

Westliche Demokratie erscheint in China dagegen weniger attraktiv als je zuvor. Die meisten Chinesen sind völlig damit zufrieden, in einem System zu leben, in dem das Volk zwar seine Führer nicht wählt, aber zumindest oberflächlich durch Veranstaltungen wie den Volkskongress "befragt" wird. Die verbreiteten Klagen gelten eher konkreten Problemen als dem System an sich.

Dieser Zustand passt Xi Jinping bestens. Er nutzt den Volkskongress zunehmend, um seine eigenen Gesetzesvorhaben gegen den gewaltigen Regierungsapparat durchzusetzen. Doch Xi konzentriert damit auch immer mehr Macht auf seine Person, denn er bestimmt die Gesetzte. China entwickelt sich so von einem System mit vielen Akteuren, die um Kompromisse ringen, wieder mehr in Richtung einer Autokratie. Der starke Mann sagt, was gemacht wird. Das kommt gut an.

Die Vordenker in der zentralen Parteischule fühlen sich derweil bestätigt: Der Zentralstaat mit gelenkter Demokratie ist überlegen und stabiler. Der Augenschein gibt ihnen Recht. China hat so viel Geld, dass die Firmen aus dem Reich der Mitte weltweit hervorragende Firmen zusammenkaufen können. Keiner mehr würde es wagen, sich mit der Volksbefreiungsarmee anzulegen. Die urbanen Chinesen fahren tolle Autos, machen weite Reisen und gründen Firmen, die zu Weltkonzernen heranwachsen.

In vielen Gesellschaften regen sich Zweifel am Rechtsstaat. Die Volksrepublik China nimmt diesen Trend vorweg. Sie hatte nie einen echten Rechtsstaat; das "Regieren durch Gesetze", das Xi jetzt vorgibt, gilt immerhin als Fortschritt gegenüber dem "sozialistischen Volksempfinden", das bisher die Normen setzte.

Die Sehnsüchte an den Rändern des politischen Spektrums vieler Länder ähneln verdächtig dem, was China bereits hat. Hartes Durchgreifen der Polizei bei weniger Rücksichtnahme ohne Randgruppen. Schnelle und kompromisslose Gerichtsurteile. Die freie Presse unter der Kontrolle des Präsidenten, damit sie keine "volksfeindlichen Lügen" verbreiten kann. Ein populärer starker Mann an der Spitze. Xi kann sich voll im Trend fühlen. Das sollte eine Warnung sein. In Ländern, die auf der Kippe stehen, kann das Modell China die Autokratie attraktiv erscheinen lassen - wegen seiner Stabilität und des wirtschaftlichen Erfolgs. Doch diese haben einen Preis.

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