China will den Dollar vom Sockel stoßen

Peking. Bisher bemühte sich China bei internationalen Gipfeltreffen um die Rolle des stillen, freundlichen Riesen, doch kurz vor der Londoner Krisenrunde Anfang April zeigt die Volksrepublik, dass sie nicht nur groß, sondern auch stark ist. Mitten in den letzten Vorbereitungen der G20-Regierungschefs bläst Peking zum Angriff auf den US-Dollar

Peking. Bisher bemühte sich China bei internationalen Gipfeltreffen um die Rolle des stillen, freundlichen Riesen, doch kurz vor der Londoner Krisenrunde Anfang April zeigt die Volksrepublik, dass sie nicht nur groß, sondern auch stark ist. Mitten in den letzten Vorbereitungen der G20-Regierungschefs bläst Peking zum Angriff auf den US-Dollar. In einem Essay forderte Zentralbankchef Zhou Xiaochuan, die Weltwirtschaft dürfe nicht länger an der amerikanischen Währung hängen, und plädierte stattdessen für die Einführung einer globalen Leitwährung unter Aufsicht des Internationalen Währungsfonds (IWF). "Eine überhoheitliche Leitwährung, die von einer globalen Institution gemanagt wird, könnte genutzt werden, um globale Geldflüsse einerseits zu schaffen und andererseits zu kontrollieren", schrieb Zhou. In Washington versuchte man umgehend, der Idee eine Absage zu erteilen. Doch das Konzept wird sich so schnell nicht aus der Welt schaffen lassen. Denn China ist mit seiner Forderung nicht allein. Neben der drittgrößten Volkswirtschaft haben sich in den vergangenen Wochen auch Russland sowie mehrere Entwicklungs- und Schwellenländer für eine Globalwährung ausgesprochen. Auch ein Expertengremium der Vereinten Nationen unterstützt die Idee. Der Vorsitzende des Uno-Ausschusses für die Reform der internationalen Wirtschafts- und Finanzordnung, Joseph Stiglitz, erklärte kürzlich: "Das derzeitige System, das auf dem Dollar basiert, hat fundamentale Mängel." Eine Erweiterung auf ein System mit zwei oder drei Schlüsselwährungen sei ebenfalls keine Option, weil es noch unstabiler sei. "Deswegen brauchen wir eine globale Reservewährung", sagte der Wirtschaftsnobelpreisträger, der außerdem für eine neue globale Kreditorganisation und eine weltwirtschaftliche Steuerungsgruppe plädiert. Mit seinem Angriff auf den Dollar dürfte Peking allerdings nicht nur die Weltwirtschaft stabilisieren, sondern auch seinen eigenen Einfluss in der Welt ausbauen wollen. Seit Jahren versucht das Land unter anderem, seine gewaltigen Devisenreserven - mit knapp zwei Billionen Dollar die höchsten der Welt - in politisches Kapital umzumünzen. So kündigte die Volksrepublik zeitgleich mit Zhous Vorstoß an, dass sie dem IWF Geld zur Verfügung stellen würde, sollte dieser zu Reformen nach chinesischen Vorstellungen bereit sein. Die Ausstattung des Währungsfonds mit neuen Mitteln steht in London ganz oben auf der Agenda. Anders als Europa und Japan hat China bisher keine Zusagen gemacht, nicht zuletzt weil der IWF bisher von Washington dominiert wird und seine Gelder auch nach politischen Kriterien vergibt.US-Präsident Obama weht damit vor seinem ersten Treffen mit seinem chinesischen Amtskollegen Hu Jintao der Wind ins Gesicht. Die Chinesen haben ein mächtiges Druckmittel: Zusammen mit den Japanern sind sie der größte Kunde von US-Staatsanleihen. Washingtons Unterhändler versuchen, China für die Finanzierung eines möglichst großen Teiles von Obamas Konjunkturpaket zu gewinnen. Ein globales Reservesystem hätte für USA wohl zur Folge, dass sie für Neuschulden deutlich höhere Zinsen zahlen müssten. Allerdings dürfte die Einführung kaum in absehbarer Zeit möglich sein. Zwar will Präsident Hu in London auf konkrete Zeitpläne für die Reform des globalen Finanzwesens drängen. Doch so groß ist seine Macht dann auch wieder nicht.

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