Chance für einen Neubeginn

Und immer noch kein handfester Beweis für einen Stimmenkauf. Der Bericht der Kanzlei Freshfields, die vom Deutschen Fußball-Bund mit der Untersuchung der "Sommermärchen-Affäre" beauftragt wurde, bestätigt lediglich: Vor der WM 2006 landeten zehn Millionen Schweizer Franken aus Deutschland in Katar.

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Foto: Robby Lorenz

Bei einer Firma namens Kemco Scaffolding Co. - einem Laden, den die Fifa-Ethikkommission als Schmiergeld-Firma brandmarkt. Eine Unternehmung, die damals im Besitz des früheren Fifa-Spitzenfunktionärs Mohamed Bin Hammam war. Der Katarer selbst wurde 2012 von der Kommission wegen Korruption lebenslang gesperrt, ist ein Sinnbild für die "korrupte Fifa".

Neu ist: Das Geld aus Deutschland floss angeblich von einem Konto, das auch Franz Beckenbauer gehört. Damit steht der "Kaiser" nun noch mehr im Fokus der Staatsanwaltschaften. Die Rückzahlung an Beckenbauer übernahm Ex-Adidas-Chef Robert Louis-Dreyfus, der zudem vier Millionen D-Mark nach Katar überwies. Louis-Dreyfus wiederum erhielt sein Geld über Umwege und stets unter der Angabe "eines falschen Verwendungszwecks" über das WM-Organisationskomitee und die Fifa zurück.

Die Erkenntnisse der Ermittler beweisen also nichts, sie liefern lediglich weitere starke Indizien dafür, dass die WM 2006 gekauft war. Letztlich ist der Beweis aber nebensächlich. Sicher, der DFB ist daran interessiert, um die Geldschieber im Nachhinein wegen Steuerbetrugs haftbar machen zu können. Ob auch Beckenbauer haftbar ist, bleibt ungewiss. Und ob sein Image großen Schaden nimmt, ist fraglich. Zu wohlwollend schauen die Deutschen bei ihrer "Lichtgestalt" über Fehlleistungen hinweg. Die WM bleibt für die Fans eh, was sie war: eine tolle Veranstaltung, die das Ansehen Deutschlands in der Welt in die Höhe katapultierte. Ihnen war längst klar, dass die Fußballwelt keinen moralisch handelnden Verband hat. Wer eine Sportveranstaltung haben will, muss offenbar Schwarzgeld in die Hand nehmen. Olympia, Fußball - die Verbände schenken sich nichts.

Das rechtfertigt natürlich nicht das Handeln des deutschen WM-Organisationskomitees. Auch nicht, dass der zurückgetretene DFB-Präsident Wolfgang Niersbach in der Aufklärungsphase Infos zurückhielt. Er ist derzeit der Einzige aus dem Komitee, der noch in Fußball-Ämtern sitzt: im Fifa-Council und im Uefa-Exekutivkomitee. Dort sollte ihn der DFB abziehen. Auch deshalb, weil der Verband nach dem Freshfields-Report einen Schlussstrich ziehen möchte. Das ist legitim. Doch der DFB sollte sich auch neu positionieren: als starker Verband in Europa, der die Fifa-Reform kritisch begleitet. Bislang konnte er diese Rolle nicht ausfüllen, war selbst Teil der Machenschaften. Jetzt hat er die Chance dazu.

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