Camerons Sieg – gut für Europa

Die Konservativen haben in Großbritannien bei den Parlamentswahlen gesiegt. Doch die Feierstimmung beim alten und neuen Premierminister James Cameron ist übertrieben. Die überraschende absolute Mehrheit stärkt ihn nicht wirklich, sie schwächt ihn.

Zu mächtig sind die Stimmen einiger Hinterbänkler in den eigenen Parteireihen, die Cameron von nun an noch massiver auf den Füßen stehen werden - weil er auf sie bei dieser hauchdünnen Mehrheit mehr denn je angewiesen ist. Sein Erfolg als Amtschef hängt auch davon ab, ob es ihm gelingt, dass seine Partei in der EU-Frage an einem Strang zieht. Diese Herausforderung könnte größer kaum sein.

Die zur Rebellion aufgelegten Tory-Europaskeptiker fordern vor allem eins: eine harte Hand gegenüber Brüssel oder gar den Austritt aus der Union. Um sie zu beruhigen und den Aufstieg der rechtspopulistischen Unabhängigkeitspartei Ukip zu bremsen, versprach Cameron, die Briten über einen Verbleib in der EU abstimmen zu lassen. Eigentlich war das Referendum für 2017 vorgesehen. Doch nun wird es wohl schon im kommenden Jahr angesetzt. Jahrelange Instabilität und Unsicherheit bezüglich der EU-Mitgliedschaft würden den zarten Wirtschaftsaufschwung, der den Konservativen den Wahlerfolg beschert hat, eintrüben, Investoren vertreiben. Das weiß Cameron und er hat die mehrheitlich EU-freundliche Unternehmenswelt hinter sich, die die Werbetrommel für Brüssel bereits rührt.

Dass nun die EU in Brüssel und andere Länder ob eines drohenden "Brexits" aufschreien, ist übertrieben. Mit dem neuen alten Premier herrscht in Großbritannien der pro-europäischste Politiker, den man in den konservativen Reihen finden kann. Er wird und kann wohl darauf hoffen, dass ihm die EU in einigen Punkten entgegenkommen wird. Ein mögliches Zugeständnis wäre, dass Einwanderer ohne Anspruch auf Sozialhilfe bleiben, solange sie keinen Job vorweisen können. Den latent an Europa desinteressierten Briten könnte er das voraussichtlich als wichtigen Erfolg verkaufen.

Der Volksentscheid ist in dem traditionell EU-kritischen Land ohnehin unausweichlich. Je früher er kommt, desto besser. Wäre der gestern zurückgetretene Labour-Chef Ed Miliband in die Downing Street eingezogen, hätten sich die dunklen Schatten über Europa um viele Jahre verlängert, gerade weil sich der Sozialdemokrat gegen ein Referendum wehrte. Die konservativen Kräfte hätten unaufhörlich Druck aufgebaut und das Land weiter gegen Brüssel aufgehetzt.

Mit einem Volksentscheid hat die Insel die Chance, das leidige Thema endlich zu den Akten zu legen. Aufgrund der florierenden Wirtschaft befürwortet derzeit eine Mehrheit der Briten den Verbleib in der EU. Diesen Schwung gilt es mitzunehmen.

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