Cameron auf den Spuren der "Eisernen Lady"

London. Als in Brüssel nichts mehr ging, ging es David Cameron gut. Und bei seiner Rückkehr vom Gipfeltreffen in Brüssel, wo sich die 27 Staats- und Regierungschefs über den künftigen EU-Haushalt rettungslos zerstritten hatten, war der britische Premier deutlich besser gelaunt als vor seiner Abreise

London. Als in Brüssel nichts mehr ging, ging es David Cameron gut. Und bei seiner Rückkehr vom Gipfeltreffen in Brüssel, wo sich die 27 Staats- und Regierungschefs über den künftigen EU-Haushalt rettungslos zerstritten hatten, war der britische Premier deutlich besser gelaunt als vor seiner Abreise. Da hatte er noch getönt, er wolle den "Taschendieben" der Brüsseler Bürokratie auf die Finger klopfen, damit sie den hart geprüften Steuerzahlern des Königreichs nicht noch mehr Beiträge klauen. Doch so weit kam es nicht. Cameron, der in Brüssel sonst recht isoliert dasteht, fand nun plötzlich Verbündete: Kanzlerin Angela Merkel sowie seine Kollegen aus den Niederlanden und den nordischen EU-Staaten.So wurde die Entscheidung erst einmal vertagt - für Cameron das beste denkbare Ergebnis. Er hätte sich allenfalls auf das Einfrieren des Budgets eingelassen, doch selbst dieses Zugeständnis wäre den euroskeptischen Hinterbänklern in seiner Partei als Ausverkauf britischer Interessen vorgekommen. Sie fordern eine deutliche Kürzung des EU-Haushalts und brachten dem Premier damit kürzlich - im Schulterschluss mit der oppositionellen Labour-Partei - seine erste parlamentarische Niederlage bei.

Von seinem Parteifreund Boris Johnson hatte Cameron folgenden Ratschlag für den Gipfel bekommen: "Verkleide dich mit einer Perücke und einem blauen Kostüm. Schwinge deine Handtasche und lass sie mit einem "Nein" in allen europäischen Sprachen auf den Verhandlungstisch donnern." Tatsächlich punktete er wie seine Parteifreundin, die "Eiserne Lady" Margaret Thatcher, und wird nun von seinen Konservativen als harter Sachwalter britischer Interessen gegenüber Europa gelobt. Als Fehlschlag entpuppte sich dagegen die Taktik von Labour, wider besseres Wissen die euroskeptische Trompete zu blasen, um so Streit beim politischen Gegner zu säen. Die aktuelle Gemengelage beim Gipfel ließ das Argument verpuffen, dass Cameron in Europa auf verlorenem Posten stehe.

Der scheinbare Triumph verschafft Cameron jedoch nur eine Atempause. Die konservativen Europa-Skeptiker drängen nun auf einen Volksentscheid, der den Austritt Großbritanniens aus der EU bringen soll. Nach jüngsten Umfragen befürworten dies 57 Prozent der Wähler. Cameron deutete an, er wolle sich noch vor Weihnachten zur Frage eines Referendums äußern. Ganz unabhängig davon wird die EU-Mitgliedschaft wieder Hauptthema des nächsten Wahlkampfs 2015 sein. Das ärgert auch die Konservativen: Schon einmal, unter John Major, kostete sie das leidige EU-Thema den Wahlsieg. So warnt Kenneth Clarke, einer der wenigen überzeugten EU-Anhänger im britischen Kabinett, bereits vor einer "kollektiven Austritts-Hysterie". Auch der Industrieverband verweist auf die verhängnisvollen Folgen eines solchen Schrittes. Zudem würde ein Referendum die Koalition mit den europafreundlichen Liberaldemokraten belasten.

Cameron sollte sich auch vor dem Irrglauben hüten, dass der Konsens mit einigen EU-Kollegen in der Haushaltsfrage eine Art Freibrief für massive Forderungen zur "Rückgewinnung britischer Rechte" aus Brüssel sei. Der angestrebte Ausstieg aus der Sozial-Charta hat bei den Partnern ebenso wenig Chancen wie Ausnahmen für die Londoner Finanzwelt bei der Bankenreform. Das Beharren darauf würde im übrigen Europa den heimlichen Wunsch nach einem konsequenten "Good bye" der Briten stärken.

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