Brasiliens Präsident Die infektiöse Folge von Bolsonaros Ignoranz

Brasilia · Kleinlaut und einsichtig ist eigentlich nicht die Sache von Jair Bolsonaro. Doch am Dienstagmorgen zeigte der sonst so angriffslustige brasilianische Präsident einen Anflug von Demut. „Ich begann, mich am Sonntag ein wenig schlecht zu fühlen“, sagte Bolsonaro in einer improvisierten Pressekonferenz.

 Brasiliens Staatsoberhaupt Jair Bolsonaro hat Corona  lange verharmlost – nun ist er selbst erkrankt.

Brasiliens Staatsoberhaupt Jair Bolsonaro hat Corona lange verharmlost – nun ist er selbst erkrankt.

Foto: AP/Mary Altaffer

„Ich muss zugeben, ich hätte nicht gedacht, dass es mich treffen könnte.“

Kurz zuvor hatten die Ärzte ihm die Gewissheit darüber gegeben, was sich schon am Vorabend abzeichnete. Der rechtsextreme brasilianische Präsident hat sich mit dem Coronavirus angesteckt. Es ist die infektiöse Folge einer monatelang geübten Ignoranz gegenüber der Lungenkrankheit. Seit Ausbruch der Corona-Pandemie in seinem Land Ende Februar hat sich der Präsident hartnäckig gegen die Schutzmaßnahmen im Alltag gestellt, verzichtet in der Öffentlichkeit bewusst auf einen Mund-Nase-Schutz und hat sich trotz steigender Infektionszahlen mit seinen Anhängern gezeigt und dabei nie auf soziale Distanz geachtet.

Es mag ja den einen oder anderen Brasilianer geben, der nun so etwas wie Schadenfreude empfindet. Schließlich hat der Präsident sich bisher gegenüber den annähernd 67 000 Opfern und mehr als 1,6 Millionen infizierten Landsleuten zynisch und menschenverachtend gezeigt. Ihm war stets das Wohl und Wehe der Bevölkerung weniger wert als die Wirtschaft des größten Landes Lateinamerikas.

Aber wer jetzt hofft, er werde seine Politik ändern und die Lungenkrankheit nicht mehr als „kleine Grippe“ abtun, der könnte sich getäuscht sehen. Denn Bolsonaro wird versuchen zu zeigen, dass die Erkrankung wirklich so harmlos ist, wie er behauptet und dass das Malariamittel Hydroxychloroquin wirkt, das er gegen Corona propagiert. Ärzte hingegen bestreiten die Wirksamkeit entschieden. Auch die Weltgesundheitsorganisation WHO warnt vor ernsten Nebenwirkungen bei dauerhafter Einnahme. Aber Bolsonaro sagte am Dienstag, er fühle sich nach der Einnahme einer erhöhten Dosis bereits deutlich besser.

Aber was passiert, wenn die Krankheit bei dem 65-Jährigen einen schweren Verlauf nimmt? Schließlich gehört Bolsonaro aufgrund seines Alters und seinen Vorerkrankungen zur Risikogruppe. Er litt bereits unter einer schweren Lungenentzündung und er leidet immer noch an den Folgen eines Messerattentats im Wahlkampf 2018 durch einen offensichtlich verwirrten Angreifer.

Sollte er die Krankheit so oder so überstehen, wird er daraus politisches Kapital schlagen, so wie er es auch nach dem Anschlag im Wahlkampf seinerzeit tat. Er könnte bei seinen Anhängern den Nimbus der Unbesiegbarkeit stärken und ganz nebenbei von den vielen politischen Skandalen ablenken, in die er seit einigen Wochen verstrickt ist und die im Zusammenhang mit dem Rausschmiss von Justizminister Sérgio Moro stehen.

Dieser weigerte sich, Ermittlungen gegen die Söhne des Präsidenten zu stoppen. Sein ältester Sohn soll in einen Korruptionsskandal während seiner Zeit als Abgeordneter in Rio de Janeiro verwickelt sein. Ein weiterer Sohn hat enge Verbindungen zu Bolsonaro-Anhängern, gegen die wegen der Verbreitung von Fake-News ermittelt wird.

Doch all das wird vermutlich in den kommenden Wochen durch das tägliche Bulletin über den Gesundheitszustand des Präsidenten in den Hintergrund gedrängt. Zumal Bolsonaros Umfragewerte kontinuierlich in dem Maße sinken, wie die Zahlen der Toten und Infizierten steigen und seine politischen Skandale publik werden. Aber nach wie vor steht ein Drittel der Bevölkerung unverbrüchlich hinter dem Staatschef. Und er hat die Unterstützung der Militärs, die inzwischen zehn der 22 Minister des Kabinetts stellen.

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