Reaktion auf Brände Australiens Premier gerät unter Feuer

Canberra · (dpa) Politiker können in Krisen eine Menge richtig machen. Aber auch eine Menge falsch. Das ist nach Ansicht seiner Kritiker beim australischen Premierminister Scott Morrison derzeit der Fall.

  Scott Morrison, Premierminister von Australien, hat spät in die Rettungsaktionen eingegriffen.

Scott Morrison, Premierminister von Australien, hat spät in die Rettungsaktionen eingegriffen.

Foto: dpa/Lukas Coch

Er reiste inmitten der verheerenden Feuer zum Urlaub nach Hawaii, kehrte nach einem öffentlichen Aufschrei zurück und entschuldigte sich.

Als Morrison nun nach dem Jahreswechsel ein Brandgebiet besuchte, wurde er als „Idiot“ beschimpft. Ein Feuerwehrmann mochte ihm nicht die Hand geben. Einer Schwangeren war auch nicht danach: „Ich will nicht wirklich Ihre Hand schütteln.“ Morrison machte es gegen ihren Willen trotzdem. Solche Bilder wird ein Regierungschef schlecht wieder los.

Wenn es ein Handbuch für Politiker nach Naturkatastrophen und Terrorismus gäbe, stünde darin: zeige Mitgefühl, sei bei den Leuten und handle schnell. Ein Beispiel war die neuseeländische Premierministerin Jacinda Ardern nach dem Anschlag von Christchurch. Sie trug aus Solidarität mit den betroffenen Muslimen ein Kopftuch und setzte ein Waffenverbot durch.

George W. Bush machte als US-Präsident nach den Terroranschlägen in New York eine gute Figur – beim Hurrikan „Katrina“ weniger. In Deutschland besuchte Gerhard Schröder seinerzeit als Kanzler in Gummistiefeln ein Hochwassergebiet. Das war fotogen und rettete ihm vielleicht sogar die Wiederwahl 2002.

Seit Monaten gucken die Australier, wie sich ihre Regierung in dieser gewaltigen Naturkatastrophe schlägt. Landesweit ist eine Fläche größer als die Niederlande abgebrannt. Experten schätzen, dass allein in dem besonders betroffenen Bundesstaat New South Wales bereits fast eine halbe Milliarde Tiere in den Flammen ums Leben gekommen sind. Die Feuer sind viel schlimmer als sonst, was viele mit dem Klimawandel in Zusammenhang bringen.

Australien ist ein Kohle-Land. Morrison (51), ein konservativer Familienvater, der sich 2019 bei der Wahl überraschend durchgesetzt hat, gilt als Freund dieser milliardenschweren Industrie. Er brachte sogar ein Stück Kohle mit ins Parlament. Für das Land ist sie der wichtigste Export-Faktor. Das Verbrennen von Kohle setzt Kohlendioxid frei, was zur Erderwärmung beiträgt. Bei der Klimakonferenz im Dezember in Madrid galt Australien bei den Verhandlern und Umweltschützern als Bremser. Morrison gerät nun wegen der Brände in der Klimawandel-Debatte in Erklärungsnot. „Ich verstehe die Angst, ich verstehe die Frustration, aber das ist eine Naturkatastrophe, die am besten auf ruhige, systematische Art behandelt wird“, findet der Premier. Er nehme die Erderwärmung ernst. Seinen Kurs will er nicht auf Kosten der Wirtschaft ändern.

Beim Kampf gegen die Brände wirkte Morrison auf seine Kritiker über Monate zu zögerlich. Zu dem missglückten Besuch im Feuergebiet sagte sogar ein Politiker aus seiner eigenen Partei, dass er den Empfang bekam, den er „wahrscheinlich verdient“ habe.  Die Politikwissenschaftlerin Blair Williams von der Australischen Nationaluniversität in Canberra sagt: „Alles in allem zeigt es dem durchschnittlichen Australier, dass er nicht für sie da ist, in einer der schlimmsten Lagen, die das Land je erlebt hat.“

Am Wochenende demonstrierte Morrison Entschlossenheit. Er kündigte an, 3000 Reservisten der Streitkräfte zu mobilisieren – allerdings ohne die Feuerwehrchefs zu informieren. Außerdem soll eine neue nationale Agentur bei den Folgen der Katastrophe helfen. Auf Twitter veröffentlichte der einstige Tourismusmanager ein Video mit Bildern vom Einsatz gegen die Brände, mit Löschflugzeugen und Feuerwehrleuten. Dazu läuft fröhliche Musik, die eigentlich auch zu einer Image-Werbung passen würde.

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