Bouillons Kraftakt

Fast wöchentlich steht der Sicherheitsapparat im armen Saarland vor neuen Herausforderungen. Das aktuelle Kriminalitätslagebild zeigt Deliktsfelder, deren Brisanz vor fünf Jahren, als die jüngste Polizeireform mit heißer Nadel gestrickt wurde, kaum abzusehen war. So muss die Polizei auf wachsende Schleuserkriminalität - etwa im Zusammenhang mit dem Flüchtlingszustrom - reagieren. Und: internationale Einbrecherbanden möglichst grenzüberschreitend bekämpfen, türkische und kurdische Rockergruppierungen in ihre Grenzen weisen sowie oft mit Technik von gestern oder vorgestern im Internet Straftäter identifizieren und gerichtsfest überführen. Diese Aufzählung erhebt keinesfalls den Anspruch auf Vollständigkeit. Alltags- und Bagatelldelikte dürften nicht vernachlässigt werden. Es ist aber längst kein Geheimnis mehr, dass unter akuter Personalnot leidende Fahnder und Ermittler, die unter dem Diktat des Rotstiftes stehen, immer öfter Schwerpunkte in der Strafverfolgung setzen müssen. Also Kriminalität nach Priorität bearbeiten.

Es gibt viele dringende Gründe, die Sicherheitsarchitektur an der Saar auf den Prüfstand zu holen, um gezielt aufzurüsten. Nach den islamistischen Terroranschlägen in Frankreich, Belgien, Würzburg und Ansbach herrscht eine hohe abstrakte Gefährdung. Die Innenministerkonferenz unter Vorsitz des Saarländers Klaus Bouillon (CDU ) hat die Zeichen der Zeit hoffentlich nicht zu spät erkannt. Der parteiübergreifende Notruf an Bund und Länder: Sofort in Personal, Ausstattung und Technik der Polizei investieren, wurde auch im Saarland erhört. Für Bouillon, ein Mann der Tat, war dies Anlass, zumindest vorerst den geplanten Personalabbau bei der Polizei zu stoppen. Er zog persönlich mit seinem vierten Sicherheitspaket die Notbremse. Dies war wohl nicht das letzte Paket dieser Art. Statt ursprünglich geplanter 80 wurden gestern 110 junge Kommissar-Anwärter vereidigt. 20 Verwaltungsangestellte werden befristet eingestellt, um Büro- und Papierkram in den Inspektionen zu erledigen, damit Polizisten mehr Zeit haben für Streifen und Ermittlungen. Eine lobenswerte Idee, schon alleine deshalb, weil der Steuerzahler top ausgebildete Polizeibeamte nicht bezahlt, damit sie den Papiertiger füttern.

Mit dem Segen der großen Koalition, die beim Thema innere Sicherheit Rivalitäten und Eitelkeiten pflegt, buttert Bouillon auch knapp eine Million Euro nach, um die technische Ausstattung zu modernisieren. Trotz des jüngsten Kraftaktes bleibt bei der Polizei noch viel Arbeit für ideen- und durchsetzungsstarke Politiker. Die Landespolitik hat längst das große Wahlkampfpotenzial erkannt. Mit dem Polizei-Thema werden Wahlen gewonnen und verloren. So zuletzt beim Regierungswechsel 1999 von der SPD zur CDU .

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