Berufsarmee statt Wehrpflicht

Meinung · Am Anfang war Napoleon. Das gilt für viele bedeutende Ereignisse, die die europäische Geschichte bestimmt haben. Es gilt auch für die Einführung der Wehrpflicht. Viele Länder sind seinem Beispiel gefolgt, und fast genauso viele haben sie im Laufe der Zeit auch wieder abgeschafft. Das sollte Deutschland jetzt auch tun.Nicht aussetzen, nicht verkürzen, sondern abschaffen

Am Anfang war Napoleon. Das gilt für viele bedeutende Ereignisse, die die europäische Geschichte bestimmt haben. Es gilt auch für die Einführung der Wehrpflicht. Viele Länder sind seinem Beispiel gefolgt, und fast genauso viele haben sie im Laufe der Zeit auch wieder abgeschafft. Das sollte Deutschland jetzt auch tun.Nicht aussetzen, nicht verkürzen, sondern abschaffen. Wem ist denn mit einer Verkürzung von neun auf sechs Monate gedient? Sowohl Soldaten als auch Zivildienstleistende kann man in so kurzer Zeit gerade noch die Grundbegriffe ihrer Aufgabe beibringen. Für eine solide Ausbildung reicht die Zeit nicht. Dann lieber eine kleinere, moderne und schlagkräftigere Berufsarmee, die auf riskante Auslandseinsätze besser vorbereitet ist. Befürworter der Wehrpflicht führen gerne das Argument an, dass mit der Abschaffung auch der Zivildienst wegfällt, was man sich nicht leisten könne. Unzumutbare Einschnitte im Sozialwesen seien die Folge. Doch das Argument sticht nicht. Von rund 110 000 Stellen für Zivildienstleistende ist ein Drittel ohnehin nicht besetzt. Zudem haben sich die Sozialverbände seit Jahren auf den Ernstfall vorbereitet und planen oft ohne Zivis. Ein-Euro-Jobber, Mini-Jobber oder Ehrenamtliche ersetzen längst manchen Zivildienstleistenden.Auch rechtlich ist die Verknüpfung von Wehrdienst und Zivildienst nicht unbedenklich. Juristen warnen davor, die Aufrechterhaltung des Wehrdienstes mit dem drohenden Wegfall des Ersatzdienstes zu begründen. Ein Gesetz mit einem solchen Hintergrund würde vom Bundesverfassungsgericht gekippt, lautet das Urteil. Vor allem aber gehört die Wehrpflicht abgeschafft, weil von der so gepriesenen Wehrgerechtigkeit keine Rede mehr sein kann. Nach Angaben der Zentralstelle für Kriegsdienstverweigerer wird von allen gemusterten Männern eines Jahrgangs nur die Hälfte für tauglich befunden. Davon verweigert wiederum die Hälfte. Und von den noch verbleibenden Männern muss nur noch die Hälfte tatsächlich den Dienst antreten. In konkreten Zahlen: Von rund 400 000 Wehrpflichtigen rückten 2009 nur 68 000 in der Kaserne ein. "Warum gerade ich?", fragen die Betroffenen zu Recht. Die hohe Zahl von untauglich Gemusterten macht zudem stutzig. Ein Prozentsatz von 54,9 im Jahr 2007 liegt exorbitant höher als in anderen europäischen Ländern, wo im Schnitt acht bis zwölf Prozent für untauglich befunden werden. Das legt die Vermutung nahe, dass ein Großteil der Wehrpflichtigen aus der Statistik rausfallen soll, damit ein Schein von Wehrgerechtigkeit besteht. Napoleons Erbe hat einfach keine Zukunft mehr.

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