Berlins Zurückhaltung ist falsch

Dass die Türkei mit dem Feuer spielt, ist keine Frage. Und auch die Bundesregierung ist mit Sicherheit nicht so blauäugig, wie sie teilweise vorgibt. Sie weiß auch, dass die türkische Strategie, neben den IS-Terroristen auch die Kurdenrebellen der PKK anzugreifen, die Spannungen in der gesamten Region noch einmal dramatisch verschärft.Genau deshalb wären jetzt eigentlich deutlichere Worte gegenüber Ankara fällig - die meidet die Regierung entweder oder begnügt sich mit diplomatischer Vorsicht.

Das hat Gründe: Erstens ist die Türkei Nato-Partner, zweitens hat sie eine herausragende geopolitische Bedeutung und drittens ist die Beziehung zwischen Deutschland und der Türkei seit langem äußerst kompliziert. Nur: Ohne die Fortführung des zarten innentürkischen Friedensprozesses mit den Kurden ist ein militärischer Erfolg gegen den Islamischen Staat schwer machbar. Hinzu kommt, dass es die Türkei gewesen ist, die dem IS nie entschlossen entgegengetreten ist. Im Gegenteil. Das Land galt bisher als Rückzugsraum und Transitland für Dschihadisten aus aller Welt. Damit ist Ankara indirekt jenen in den Rücken gefallen, die seit längerem gegen die Mörderbande mit Luftschlägen vorgehen. Auch das muss gesagt werden.

Für Deutschland ist die Lage insofern heikel, als kurdische Peschmerga im Nordirak gegen den IS kämpfen und Deutschland trotz erheblicher Bedenken mit Waffen und Ausbildung hilft. Es sind jene Kämpfer, die offensichtlich mit der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK in Verbindung stehen. Außerdem sind in der Türkei deutsche Patriot-Raketen stationiert. Die Sorge ist daher hierzulande berechtigt, dass man womöglich schneller in den ausufernden Konflikt hineingezogen wird, als es Berlin Recht sein kann. Die Antwort darauf sollte aber nicht lauten, die Unterstützung gänzlich einzustellen und die Raketen abzuziehen, wie die Linke dies will. An der Bedrohungssituation für die Türkei hat sich schließlich absolut nichts verändert. Die Antwort kann nur lauten, Ankara mit Nachdruck daran zu erinnern, dass der Kampf gegen die Gegner des IS kein sinnvoller Kampf ist. Weder für die Türkei, noch für den Westen.

Heute beim Treffen des Nato-Rates bietet sich dafür eine gute Gelegenheit. Dann wird über das Thema Bündnisfall gesprochen werden. Dessen Anwendung forderte die Türkei bereits 2012, nachdem Syrien einen türkischen Kampfjet abgeschossen hatte. Schon damals wurde das vertragsrechtlich fragwürdige Ansinnen wegen der unberechenbaren Folgen abgelehnt. Die Bundesregierung liegt daher richtig, wenn sie nun sagt, der Bündnisfall sei weit weg. In Artikel 4 des Nato-Vertrages heißt es ja auch, man werde zunächst einander "konsultieren". Was zum Glück nicht automatisch bedeutet, gemeinsam einzugreifen.

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