Berlin verliert Einfluss auf Zukunft Afghanistans

Kabul. Als Franz Josef Jung kürzlich im Hauptquartier der Internationalen Schutztruppe Isaf in Kabul vor die Medien trat, fehlte der Gastgeber. Isaf-Kommandeur David McKiernan hatte offenbar besseres zu tun - ungewöhnlich, ist Jung doch Verteidigungsminister der drittgrößten Truppenstellernation und des viertgrößten Geberlandes

Kabul. Als Franz Josef Jung kürzlich im Hauptquartier der Internationalen Schutztruppe Isaf in Kabul vor die Medien trat, fehlte der Gastgeber. Isaf-Kommandeur David McKiernan hatte offenbar besseres zu tun - ungewöhnlich, ist Jung doch Verteidigungsminister der drittgrößten Truppenstellernation und des viertgrößten Geberlandes. Der Vorfall könnte als Kleinigkeit abgetan werden - wäre er nicht Teil einer allgemeinen Abstiegs-Geschichte: Deutschlands Einfluss in Afghanistan und unter den Verbündeten hat spürbar abgenommen. Vor dem Nato-Gipfel Anfang April in Baden-Baden sticht insbesondere der Bedeutungsverlust in der einst von Deutschen geführten Isaf ins Auge: Bis Ende vergangenen Jahres stellte die Bundeswehr den Chef des Stabes. Der höchstrangige deutsche Offizier ist nun einer der Vize-Stabschefs für Logistik. "Es gibt keine deutsche Schlüsselfigur mehr, die etwas gestalten, etwas auf den Weg bringen kann", heißt es im Isaf-Hauptquartier. "Die Musik bei der Isaf spielt in Kabul, nicht in (dem nordafghanischen Bundeswehr-Standort) Masar-i-Scharif." Ein hochrangiger deutscher Entwicklungsexperte, der in Afghanistan arbeitet und anonym bleiben will, macht die Bundesregierung für die schwindende Bedeutung im militärischen, aber auch im zivilen Bereich verantwortlich. "Wir haben unseren Einfluss ganz bewusst aufgegeben", kritisiert er. Dabei hätten die in Afghanistan traditionell beliebten Deutschen "in einem Maße Einfluss nehmen können, dass selbst die Amerikaner nicht an uns vorbeigekommen wären. Diese Chance haben wir nie ergriffen." Seit ihrem Wahlsieg 2005 besuchte Merkel Afghanistan nur ein einziges Mal. Zum Vergleich: Der britische Premierminister Gordon Brown war binnen eines Jahres drei Mal am Hindukusch.Dabei spielte die Bundesrepublik nach dem Sturz der Taliban zunächst eine entscheidende Rolle. Ende 2001 war Deutschland Gastgeber der Petersberg-Konferenz, auf der die Weichen für die Zukunft Afghanistans gestellt wurden. Deutschland bot in den Anfangsjahren der Isaf nicht nur das größte Kontingent auf, sondern gleich zwei mal den Kommandeur der Schutztruppe. 2004 fand in Berlin ein großes Gebertreffen statt. 2005 übernahm die Bundeswehr das Regionalkommando für Nordafghanistan in der Isaf.Berlin entsandte einen Wirtschaftsberater in den Präsidentenpalast nach Kabul, doch der Posten wurde 2006 ersatzlos gestrichen. Die Bundesrepublik übernahm die Verantwortung für den wichtigen Polizeiaufbau, die aber 2007 nach massiver Kritik an die EU überging, inzwischen führt ein Däne die Mission. Von März 2006 bis Ende 2007 war der UN-Sondergesandte in Kabul ein Deutscher - er wurde durch einen Norweger ersetzt.Mit Verwunderung quittierten Diplomaten, dass im Herbst der Leiter der Wirtschaftsabteilung in Peking zum deutschen Botschafter in Kabul bestellt wurde - nachdem dort in den Jahren zuvor ein ausgewiesener Afghanistan-Kenner die Bundesrepublik vertreten hatte. Zwar hat das Auswärtige Amt die Afghanistan- und Pakistan-Politik mit der Benennung von Bernd Mützelburg zum Sonderbeauftragten offiziell aufgewertet. Doch der geriet in die Mühlen der großen Koalition und vertritt nun nur das Außenamt von Frank-Walter Steinmeier und nicht die ganze Regierung. Die USA haben ihren Sonderbeauftragten Richard Holbrooke besser ausgestattet: Er spricht für die ganze US-Regierung.

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