Berlin und Paris zeigen Harmonie am Kreidefelsen

Stralsund/Berlin · Putins Provokation auf der Krim hin, Alstom-Poker her. Trotz Ukraine-Krise und wichtigen Wirtschaftsthemen hatte Angela Merkel am Freitag genug Zeit, um François Hollande eine der schönsten deutschen Küstenlandschaften zu zeigen: die rund 15 Kilometer lange Kreidefelsen-Steilküste zwischen Sassnitz und Lohme auf Deutschlands größer Insel Rügen.

Bilder der Einigkeit, die bei den angesichts der etwas aus dem Lot geratenen deutsch-französischen Achse gerade Recht kommen dürften.

Knapp 21 Stunden, bis Samstagnachmittag, dauert der ungewöhnliche Besuch des französischen Staatspräsidenten im Wahlkreis der Kanzlerin im Norden. Ganze zwei davon verbrachten Merkel und Hollande auf dem Ausflugsdampfer "Nordwind".

Dass sie der Fahrt lange nachsinnen werden, ist unwahrscheinlich. Nicht nur, dass sie das Gerangel um den französischen Alstom-Konzern und einen Siemens-Einstieg beschäftigen dürfte. Wichtiger noch: Gut drei Stunden vor ihrem Treffen sorgte der russische Präsident Wladimir Putin für den Paukenschlag zum Termin. In Sewastopol auf der von der Ukraine abtrünnigen Schwarzmeerhalbinsel Krim nahm er an den Feiern zum Tag des Sieges über Nazi-Deutschland 1945 teil. Der ukrainische Regierungschef Arseni Jazenjuk sprach von "Provokation", auch die Kanzlerin sieht das so. Hollande dürfte bei seinem Kurzbesuch einiges darüber erfahren, wie Merkel den Russen einschätzt. Merkel telefoniert regelmäßig mit Putin, alle sieben bis zehn Tage, in der Krise auch mal öfter. Die Kanzlerin hofft so, den Kontakt zu Putin nicht zu verlieren, getreu ihrer Maxime in der Ukraine-Krise: Hilfen für Kiew sowie Dialog und Sanktionen gegen Moskau.

Doch sicher war Merkel jüngst nicht mehr, dass der Mann in Moskau tatsächlich noch die Fäden bei den Separatisten in der Ostukraine in der Hand hält. Zwar wurden vor knapp einer Woche die dort festgehaltenen OSZE-Geiseln in Freiheit entlassen, kurz nachdem Merkel mit Putin telefoniert hatte. Und auch Putins Äußerung, die Separatisten sollten das an diesem Sonntag geplante Abspaltungs-Referendum verschieben, wurde in Berlin als Zeichen des Entgegenkommens gewertet. Die Teilnahme Putins an der Flottenparade in der Krim-Hafenstadt Sewastopol am Freitag dürfte aber ein neuerlicher Rückschlag gewesen sein. Merkel hatte die Reisepläne Putins schon am Dienstag für ihre Verhältnisse deutlich kritisiert.

Aus den Telefonaten mit Putin hat Merkel die Erfahrung gewonnen, dass dieser in ganz anderen Kategorien denkt als westliche Politiker. Er spiele mit dem Feuer und versuche mit aller Kraft, eine Annäherung der Ukraine an den Westen zu verhindern, glauben sie in der Regierung. Deeskalation sehe anders aus.

Mit Hollande wird Merkel wohl auch über den richtigen Zeitpunkt für die dritte Sanktionsstufe gegen Moskau reden. Harte Beschränkungen für die Wirtschaft sollen aber erst beschlossen werden, wenn endgültig klar ist, dass Putin die Präsidentschaftswahl in der Ukraine am 25. Mai verhindert. Solange setzt Merkel auf Dialog - und im Gespräch mit Hollande wohl auch darauf, die EU-Länder in der Sanktionsfrage zusammenzuhalten. Denn was hier eine Spaltung des Westens bedeuten würde, ist für sie eindeutig: Ein Triumph für Putin und ein Desaster für die EU.

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