Berlin schärft seinen Blick auf Afrika

Berlin · Zwei Stunden lang hat der Bundestag gestern über Afrika debattiert, und zwar in der so genannten Kernzeit, nicht nachts. Schon am Donnerstag war der südliche Nachbarkontinent mit einer längeren Passage Gegenstand der Regierungserklärung der Kanzlerin gewesen.

Und Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) will baldmöglichst nach Afrika reisen, vor allem nach Addis Abeba, wo die Afrikanische Union ihren Sitz hat. Die Aktivitäten mögen überraschen, weil Europa außer der Ukraine auch noch ein paar andere Probleme wie die Euro-Krise zu lösen hätte. Doch der vierte EU-Afrika-Gipfel Anfang April steht vor der Tür, 80 Staatschefs aus Afrika werden nach Brüssel kommen.

Es gibt allerdings auch andere Gründe für die neue Aufmerksamkeit. Angesichts des Flüchtlingsdramas im Mittelmeer und der europäischen Militäreinsätze in Mali und der Zentralafrikanischen Republik ist auch dem Letzten in der EU klar geworden, dass die negative Entwicklung in Teilen Afrikas den eigenen Kontinent nicht unberührt lässt. Die instabile Lage der Länder des "arabischen Frühlings", allesamt Mittelmeer-Anrainer, kommt hinzu. Und dann gibt es noch eine geostrategische Perspektive: Der Nachbarkontinent mit seinen 54 Staaten verzeichnet das größte Bevölkerungswachstum auf der Welt. Bis 2050 wird sich die Zahl der Bewohner auf zwei Milliarden verdoppeln. "Wir beobachten ein verstärktes Engagement von China, Indien, Brasilien, auch der Türkei in Afrika", sagte Merkel im Bundestag. Was sie nicht sagte: Auch Russland könnte mit seinem neuen Großmacht-Gehabe demnächst dazukommen.

Außenminister Steinmeier koordiniert derzeit die Arbeiten verschiedener Ministerien zur Formulierung von "Leitlinien der deutschen Afrika-Politik". Ein 15-seitiger Entwurf liegt bereits vor. Das alte Afrika-Konzept stammt aus dem Sommer 2011 und war noch federführend von Guido Westerwelle (FDP) formuliert worden. Zu einer Zeit, als die Arabellion erst begonnen hatte und ihre chaotischen Folgen noch nicht absehbar waren. Als Islamisten noch nicht die Region südlich der Sahara destabilisierten. Mit dem neuen Konzept will Berlin mehr als bisher auf "gute Regierungsführung" in den Ländern Afrikas setzen, sagte Merkel. Dies und die energische Bekämpfung der Korruption seien Voraussetzungen für eine gute wirtschaftliche Entwicklung. Man hat in Berlin realisiert, wie gefährlich die zunehmende Erosion staatlicher Institutionen in vielen Ländern Afrikas für die Entwicklung des Kontinents ist.

In militärische Konflikte will man sich gleichwohl nicht hineinziehen lassen. Das wurde auch beim internen Afrika-Gipfel der Bundesregierung bekräftigt, einem Treffen von sieben Ministern am Donnerstag. Man setze, so Merkel im Bundestag, auf "Hilfe zur Selbsthilfe". Ausbilder will man schicken, um bedrängten Staaten zu helfen, nicht jedoch Soldaten. "Übernahme von Eigenverantwortung und Stärkung der Regional-Organisationen" lautet die Empfehlung an die Afrikaner. Schon nach Mali hatte die Bundeswehr nur Militärexperten geschickt und den Franzosen den Kampfeinsatz überlassen. Im Konflikt in der Zentralafrikanischen Republik bietet Berlin lediglich Sanitätsflugzeuge an, was Paris bereits bemängelt hat. Und nach Somalia werden, das beschloss das Kabinett am Mittwoch, maximal 20 Ausbilder entsandt. "Genau dies ist der Weg in Afrika", sagte Unions-Fraktionschef Volker Kauder im Bundestag. "Keine Intervention."

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