Berechtigte Zweifel am kleinen Mauerfall auf Kuba

Havanna. Kubanische Touristen in Miami oder in Berlin? Bisher undenkbar, denn Urlaubsreisen für die Bevölkerung außerhalb der kommunistischen Karibikinsel sind im Modell Kuba ebenso wenig vorgesehen wie dies einst Westreisen in der untergegangenen DDR waren

Havanna. Kubanische Touristen in Miami oder in Berlin? Bisher undenkbar, denn Urlaubsreisen für die Bevölkerung außerhalb der kommunistischen Karibikinsel sind im Modell Kuba ebenso wenig vorgesehen wie dies einst Westreisen in der untergegangenen DDR waren. Aber wie in so viele Dinge scheint auch in das Reiseverbot mehr als ein halbes Jahrhundert nach der Castro-Revolution Bewegung zu kommen. "Es wird geprüft, Kubanern mit Angehörigen im Ausland Urlaubsreisen zu erleichtern", heißt es in den "Leitlinien für eine neue Wirtschafts- und Sozialpolitik", die seit Montag an Kubas Zeitungskiosks und Postämtern ausliegen. Die insgesamt 313 Leitlinien halten das auf Papier fest, was der Kongress der Kommunistischen Partei vor einem Monat beschlossen hat. Neben diesem kleinen kubanischen Mauerfall befinden sich darin auch die Erlaubnis, Häuser und Autos zu kaufen, Privateigentum zu vererben und die Möglichkeit für Selbständige, Kredite bei staatlichen Banken zu beantragen. Bestätigt wird auch die Schaffung von Kooperativen sowie die Abschaffung der staatlichen Subventionen. Die Leitlinien sehen allerdings keinerlei Frist für die Inkraftsetzung der Maßnahmen vor, sie werden wohl erst in den kommenden Monaten verabschiedet.Auch jetzt schon reisen Tausende Kubaner ins Ausland. Bisher müssen sie aber eine Erlaubnis beantragen, die sogenannte "Weiße Karte". Diese Ausreisegenehmigung kostet umgerechnet 100 Euro und wird zudem oft verweigert, vor allem Oppositionellen wie der Bloggerin Yoani Sánchez. Sie hat bisher keinen ihrer Preise entgegennehmen können, die ihr vor allem in Europa verliehen wurden.

Die kubanische Regierung übt über Auslandsreisen politische Kontrolle aus. So haben es nicht nur Dissidenten schwer, die Insel vorübergehend zu verlassen, sondern auch Mitarbeiter aus den sensiblen Berufen. Daher kommen Ärzte, Lehrer, Militärs, aber auch Minderjährige nur erschwert aus dem Land. Zudem werden Trips von der Insel als Belohnungen eingesetzt, vor allem als Anerkennung für verdiente Arbeiter. Außerdem sind sie eine Möglichkeit, Devisen zu beschaffen, indem gefragte Berufsgruppen für eine beschränkte Zeit ins Ausland geschickt werden, etwa Ärzte nach Venezuela oder Musiker nach Mexiko.

Insgesamt ist aber mit der Erwähnung der Reisefreiheit in den Leitlinien keineswegs gesichert, dass die "Weiße Karte" abgeschafft wird. Raúl Castro hatte die Reisefreiheit bereits 2008 nach seiner formellen Einsetzung als Nachfolger seines erkrankten Bruders Fidel als ein Fernziel erwähnt. Seither ist aber nichts passiert.

Das wirklich Neue ist nun, dass das Thema erstmals in einem offiziellen Dokument niedergeschrieben steht. Eine echte Reisefreiheit für Kubaner könnte das kommunistische Regime in Gefahr bringen - ähnlich wie der Fall der Mauer das Ende der DDR beschleunigte. Deswegen bezweifelt die Opposition, dass es sie wirklich geben wird. Es ist nämlich nicht auszuschließen, dass ein Exodus einsetzt, weil viele der Kubaner mit Verwandten in Mexiko, Madrid und Miami versuchen würden, das Land zu verlassen. Endgültig und nicht vorübergehend.

Alleine in Miami leben 1,5 Millionen Exilkubaner. Der erste Parteitag der kubanischen KP seit mehr als zehn Jahren hatte Mitte April die "Aktualisierung" des sozialistischen Modells beschlossen. Reisefreiheit könnte aber sein Ende beschleunigen.

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