Benedikt – Papst zwischen Euphorie und Ernüchterung

Rom · War es wirklich weißer oder doch schwarzer Rauch, der da aus dem Schornstein der Sixtinischen Kapelle kam? Nach hektischem Rätseln war klar: Der Rauch war weiß, es gab einen neuen Papst. Und dieser hieß zur Überraschung vieler: Joseph Ratzinger, Papst Benedikt XVI . An diesem Sonntag ist das genau zehn Jahre her.

Nach etwa 480 Jahren stellte Deutschland wieder einen Pontifex. Aus Skepsis wurde Euphorie ("Bild": "Wir sind Papst"), über die sich dann doch bald ein Schatten legte. Ausgelöst einerseits durch Benedikts konservative Linie, durch Kommunikationspannen des Vatikan und durch Krisen, die die katholische Kirche als Ganzes erschütterten.

Schwer wog die Last des Amtes auf den Schultern des Mannes aus Bayern, der schon Jahrzehnte vor seiner Papstwahl als Kardinal Ratzinger im Vatikan als Präfekt der Glaubenskongregation hinter den Kulissen die Fäden in der Hand hielt. Zu schwer. Nach fast acht Jahren traf die Welt die Sensation völlig unvorbereitet: Papst Benedikt tritt zurück. Ein Rücktritt eines Papstes - so etwas hatte es seit mehr als 700 Jahren nicht mehr gegeben.

Bis jetzt wird spekuliert, was der Grund für die Entscheidung war. Waren es wirklich die Gebrechen des Alters, die fehlende Kraft, das strapazierende Amt auszufüllen? Oder war es der Vatileaks-Skandal um gestohlene Dokumente und Enthüllungen über Intrigen im Vatikan ? Fest steht, dass man dem damals 85-Jährigen deutlich ansah, dass sein Körper schwach wurde.

Eine Popularität wie sein Vorgänger Papst Johannes Paul II. konnte Benedikt nie erreichen, zuwider war dem Theologie-Professor der Medienhype, er nannte sich bescheiden einen "Arbeiter im Weinberg des Herrn". Tatsächlich fehlten dem Mann aus Marktl die Spontaneität und Offenheit seines Nachfolgers Franziskus. Doch selbst seine Kritiker mussten einräumen, dass dem früheren Erzbischof von München intellektuell niemand das Wasser reichen konnte.

Die Gräben zwischen ihm und vielen Gläubigen wurden jedoch immer tiefer. Der Missbrauchsskandal erschütterte die Kirche bis ins Mark. Benedikt wurde vorgeworfen, trotz seiner "Null-Toleranz"-Politik gegenüber Missbrauch nicht genug zu unternehmen. Sein Zugehen auf die erzkonservativen Pius-Brüder mit dem Holocaust-Leugner Richard Williamson löste Bestürzung aus. Hinzu kam die generelle Unzufriedenheit, dass Benedikt die für viele Menschen veraltete Sexualmoral der katholischen Kirche nicht aufbrechen wollte - oder konnte.

Heute lebt er als emeritierter Papst - so sein offizieller Titel - im Kloster Mater Ecclesiae im Vatikan , wenige Schritte von der Wohnung seines Nachfolgers Franziskus entfernt. Am Donnerstag feierte er seinen 88. Geburtstag.

Zwar keimen immer wieder Debatten auf, Benedikt sei ein "Schattenpapst" im Vatikan . Befeuert wurde die Diskussion zuletzt im vergangenen Winter durch eine Neuauflage der "Gesammelten Schriften" Benedikts. Sie enthält einen aktualisierten Aufsatz aus dem Jahr 1972 , in dem es um den Umgang der Kirche mit wiederverheirateten Geschiedenen geht - ein durch die Familiensynode im Vatikan brisantes Thema, das Franziskus besonders am Herzen liegt. Benedikt nannte die Debatte kürzlich aber "völligen Unsinn". Er wolle seinen Nachfolger nicht in den Schatten stellen.

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