Beim Jubiläum hat die Nato nicht viel Zeit zum Feiern

Saarbrücken. Mit 60 ist für viele bereits der Ruhestand erreicht - die Nato hingegen begeht ihr 60. Jubiläum eher unruhig, den Blick nach vorne gerichtet und mit vollem Terminkalender

Saarbrücken. Mit 60 ist für viele bereits der Ruhestand erreicht - die Nato hingegen begeht ihr 60. Jubiläum eher unruhig, den Blick nach vorne gerichtet und mit vollem Terminkalender. Längst vorüber sind die Zeiten des Kalten Krieges, als sich dem Bündnis von damals 16 Staaten das relativ überschaubare Bild einer bipolaren Welt bot: Die Sowjetunion und der Warschauer Pakt drüben - die von den USA geführte Nato hüben. Mittels atomarer Bedrohung schreckte man ab und war auf die Verteidigung des Bündnisgebietes eingestellt. Mit Erfolg: 1989 kollabierte der Warschauer Pakt, der militärische und ideologische Gegner verschwand - ohne dass ein Schuss gefallen wäre. Zunächst schien es, als hätte die Nato ihren Daseinszweck eingebüßt. Doch bald taten sich neue "Herausforderungen und Risiken" auf - umfassender, vielfältiger und komplizierter. Gestützt auf eine "Neue Strategie" und einen "Neuen Sicherheitsbegriff" aus dem Jahr 1991 engagierte man sich in Bosnien und im Kosovo. Die Nato wandelte sich so von einem rein territorialen Verteidigungsbündnis zu einem funktionalen Interventionsbündnis. "Out of area"-Einsätze zeugen von diesem Wandel. 1999 wurde mit dem Beitritt der ehemaligen Warschauer-Pakt-Staaten Polen, Ungarn und Tschechien die Osterweiterung Realität. Der Wandlungsprozess erhielt mit den Terroranschlägen von 11. September 2001 einen weiteren Schub, als die Nato von ihrer europäischen zu einer globalen Aufgabenstellung überging. So steht sie nun bei ihrem Jubiläumsgipfel vor einem Berg von Aufgaben. Vor allem muss sie drei Zukunftsfragen im Konsens schlüssig beantworten. Ganz oben auf der Agenda steht die Frage, wie es in Afghanistan weitergehen soll. Sind die bisherigen Mittel zur Terrorismusbekämpfung adäquat? Muss das Konzept der "vernetzten Sicherheit", im Sinne einer verbesserten Zusammenarbeit der zivilen und der militärischen Akteure, konsequenter verfolgt werden? Konsens im Bündnis gibt es bis dato, dass es sich beim Wiederaufbau in Afghanistan um eine langfristige Verpflichtung handelt. Strittig hingegen ist die Frage der Truppenaufstockung - eine Forderung, die sich in besonders an Deutschland richtet. Weiter unklar ist das Verhältnis zu Russland. Kooperation oder Konfrontation? Der Georgien-Konflikt und der Streit um die Erweiterung der seit 2004 auf 26 Mitgliedstaaten angewachsenen Nato ist noch nicht ausgestanden. Vor allem richtet sich der russische Widerstand gegen eine Aufnahme der Ukraine in das Bündnis. Mag sein, dass die Finanz- und Wirtschaftskrise und die wechselseitigen Abhängigkeiten die weitere Ost-Erweiterung in den Hintergrund treten lassen.Der dritte drängende Punkt ist die Erneuerung des aus dem Jahr 1999 stammenden Strategischen Konzepts. Es geht vor allem um einen neuen Ansatz der Terrorismusbekämpfung, also die Aufnahme des angesprochenen Konzepts der "vernetzten Sicherheit", um Verbreitung von Massenvernichtungswaffen, um Energiesicherheit, Klimawandel und Migration sowie um die Transformation der Streitkräfte.Es wird also beim 60. Geburtstag der Nato nicht viel Zeit zum Jubeln bleiben. Anpassung an den Wandel war aber immer eine Stärke der Allianz, weshalb sie weiterhin ein zentrales Instrument der Politik der USA und Europas bleiben wird. Zur Sicherung des Friedens und der Freiheit in Europa wird die Nato weiter gebraucht. Horst Dörrenbächer ist Regionalleiter Saarland der Deutschen Atlantischen Gesellschaft.

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