Beim „gläsernen Patienten“ fehlt noch der Durchblick

Berlin · Rund eine Milliarde Euro aus Beiträgen zur Krankenversicherung hat die Einführung eines sicheren Kommunikationsnetzes im Gesundheitswesen bereits gekostet. Doch die einzige Neuerung, die der Patient bislang spürt, ist sein Passbild auf der elektronischen Gesundheitskarte.

Sonst fehlt noch Durchblick.

Schon seit 2006 sollte sie die herkömmliche Krankenversicherungskarte ablösen. Zum Allgemeingut ist sie jedoch erst in diesem Jahr geworden - ohne, dass der Patient einen zusätzlichen Gewinn davon hat. Denn der seit fast einem Jahrzehnt andauernde Kampf um den Online-Austausch von medizinischen Daten, für den sich die Gesundheitskarte als Schlüssel versteht, drohte an den unterschiedlichen Interessen von Ärzten, Kliniken, Apothekern und Kassen zu scheitern.

Die Bundesregierung hat diesem Treiben lange tatenlos zugesehen. Nun will Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe mit dem so genannten E-Health-Gesetz Druck machen. Seine gestern vom Bundeskabinett verabschiedete Vorlage sieht neue Funktionen der Gesundheitskarte und Anreize zur Einhaltung bestimmter Fristen für ihre Einführung vor. Alles gut und richtig. Bis zur elektronischen Patientenakte, von der schon 2003 im Rahmen der damaligen Gesundheitsreform die Rede war, ist es allerdings noch ein weiter Weg.

Denn nach dem Gesetzentwurf soll die medizinische Nutzung per Datenautobahn nicht vor 2018 kommen. Zunächst einmal geht es um Versichertendaten wie Name oder Anschrift, die bei Bedarf künftig schnell korrigiert werden können. Schon heute sind diese Daten auf der Gesundheitskarte gespeichert. Ändert sich aber beispielsweise die Adresse, ist eine neue Karte erforderlich. Das erübrigt sich künftig durch die elektronische Vernetzung. Auf diese Weise können Kosten gespart und Missbrauch verhindert werden. Die flächendeckende Einführung eine solchen Stammdatenmanagements ist vom 1. Juli 2016 an bis 2018 vorgesehen. Auch mit den gefährlichen Neben- und Wechselwirkungen durch die Einnahme verschiedener Medikamente soll Schluss sein. Patienten, die mindestens drei Medikamente verordnet bekommen, haben ab Oktober 2016 Anspruch auf einen Medikationsplan durch den Hausarzt. Zunächst in Papierform. "Mittelfristig", das bedeutet laut Gröhes Ministerium ab 2018, soll dieser Plan elek tronisch über die Gesundheitskarte in den Praxen abrufbar sein. Noch immer geht auch viel Zeit verloren, weil Arztbriefe per Post versendet werden müssen. Nun sollen zum Beispiel Mediziner, die Arztbriefe sicher elektronisch übermitteln, 2016 und 2017 eine Vergütung von 55 Cent pro Brief erhalten. Ein weiterer Punkt: Patientendaten wie Vorerkrankungen oder Allergien sollen auf Wunsch des Betroffenen ab 2018 auf der Gesundheitskarte gespeichert werden können.

Bleibt die Frage der Datensicherheit, die sich in der Vergangenheit als Bremsklotz bei der Digitalisierung der Medizin erwiesen hat. Der Gesundheitsminister hält die Sorgen über einen "gläsernen Patienten" für unbegründet. Gemeinsam mit dem Bundesdatenschutzbeauftragten und dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik sei ein System entwickelt worden, das "bestmöglichen Schutz der höchstpersönlichen Patientendaten bietet". Daran muss sich der CDU-Politiker künftig messen lassen.

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