Beim Bergbau stößt Erinnerung an die Grenze

Saarbrücken/Forbach. Die Lothringer haben die Nase vorn - und die Saarländer die Augen geschlossen. Während in Reden ein Team für 1,25 Millionen Euro eine Landesausstellung zum Ende des Bergbaus an der Saar vorbereitet, steht in Petite-Rosselle bereits ein 4,2 Millionen Euro teures, veritables Bergbau-Museum

Saarbrücken/Forbach. Die Lothringer haben die Nase vorn - und die Saarländer die Augen geschlossen. Während in Reden ein Team für 1,25 Millionen Euro eine Landesausstellung zum Ende des Bergbaus an der Saar vorbereitet, steht in Petite-Rosselle bereits ein 4,2 Millionen Euro teures, veritables Bergbau-Museum. Mehr noch: Auf der Gruben-Brache Carreau Wendel ist ein imponierender Industriekultur-Park entstanden, der sich, sollten alle Wachstums-Träume reifen, als Pendant zum Völklinger Weltkulturerbe begreifen lässt.Niemand nimmt im Saarland davon wirklich Notiz. Eine Erklärung dafür mag sein, dass es in Sachen Bergbau zwei Geschwindigkeiten gab und gibt. Frankreich erlebte das Ende der Kohle-Ära schon 2004, mit Schließung des Schachts La Houve in Creuzwald. Damals war das Thema im Saarland noch ein Tabu. Trotzdem kann dies keine Entschuldigung dafür sein, warum kein Politiker später auf die nächstliegende Idee kam, den Vorsprung der Franzosen strategisch zu nutzen und das Carreau Wendel, in dem unzählige Saarländer einst einfuhren, zum zentralen Erinnerungsort für den Kohlebergbau der gesamten Region zu erklären.

Zumal der Carreau-Wendel-Verantwortliche Gérard Bruck seit 2008 einen engagierten Austausch mit saarländischen Stellen einleitete, etwa mit der Industriekultur Saar GmbH (IKS) oder dem Regionalverband Saarbrücken. Spätestens, seit 2011 der Förderverein zur Rettung des Erlebnisbergwerkes Velsen auf den Plan trat, hätte ein Umdenken einsetzen müssen. Der Lehr-Stollen liegt nicht mal zehn Minuten vom Carreau Wendel entfernt, wo bereits seit 2006 ein perfektes Schaubergwerk mit Original-Maschinen auf Besucher wartet, attraktiver als Velsen es je wird bieten können. Eine Verdoppelung des Angebotes.

Die Saar-Politiker verschweigen das und sprechen von grenzüberschreitenden "Kooperationen" - dem Standardmodell, das niemandem weh tut, aber beide Seiten Geld kostet. Niemand macht den Vorschlag, im Carreau Wendel institutionell einzusteigen. Dabei gibt es für ein solches echtes binationales Projekt längst ein erfolgreiches Vorbild: das Theaterfestival Perspectives, getragen von der Stadt Saarbrücken, dem Land und dem Département Moselle. Kein Bedarf? Die SPD ist in der Vergangenheit - gegen die CDU - als Sachwalterin der Bergbau-Kultur aufgetreten, hat ein sozialgeschichtliches Museum gefordert. Das verpflichtet den neuen Kulturminister Ulrich Commerçon (SPD) zum Ehrgeiz. Längst ist daran gedacht, die "Erbe"-Ausstellung in Reden dauerhaft zu etablieren und wachsen zu lassen, was Einiges kosten wird. Zugleich kämpfen neben Velsen zwei weitere Bergbau-Museen - in Bexbach und St. Ingbert (Rischbachstollen) - gegen den Zerfall und um Landes-Unterstützung. Mehr noch: St. Ingbert hat sich ein Industriehistorie-Museum in den Kulturentwicklungsplan geschrieben. Man hofft natürlich auf Mittel aus dem Landeshaushalt.

Auf diese Art werden hierzulande weiter Energien, Ideen und Gelder ins Kleinklein fließen - statt in ein Aufsehen erregendes grenzüberschreitendes Museumsprojekt, für das sogar EU-Gelder zu holen wären. Heute hätte die Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) Gelegenheit, das Ruder rumzureißen. Ihr Auftritt beim Festakt im Carreau Wendel wäre ein idealer Zeitpunkt.

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