Streit in der Saar-Koalition Bei der Ganztagsschule bleiben die alten Gräben

SAARBRÜCKEN Das war schon ein kleines Beben. Ideologie-Gräben gingen zu Bruch, als die CDU im letzten Wahlkampf verkündete, man wolle einen Rechtsanspruch auf schulische Ganztagsbetreuung realisieren.

Nun steht’s im Koalitionsvertrag, und keiner hat’s so recht gemerkt, dass zumindest an diesem Punkt Schulfrieden herrscht zwischen linken „sozialistischen Gleichmachern“ und konservativen „Elite-Förderern“. Noch 2009 war die echte (gebundene) Ganztagsschule, die eine Unterrichtspflicht bis 16 Uhr vorschreibt, für die Junge Union Saar eine „Zwangstagsschule“. Man sprach von Familienfeindlichkeit und beschwor den Niedergang der Vereinskultur. Doch die Schlacht war schon damals verloren, die These von OECD-Experten (Pisa-Studie) Konsens: Bildungsgerechtigkeit sei nur durch Ganztagsbetreuung erreichbar, bessere Schulnoten auch. Lang ist’s her, zwischenzeitlich sagen Gegen-Studien: Der Abbau von sozialen Unterschieden oder eine Verbesserung der Schüler-Leistungen seien nicht nachweisbar.

 Überraschenderweise spielen solche Grundsatz-Überlegungen in der aktuellen Schulentwicklungsdebatte keine Rolle. In Gang gesetzt ist eine Reform des Nachmittagsprogramms in Freiwilligen Ganztagsschulen (FGTS), die einst die CDU erfand. Saar-Bildungsminister Ulrich Commerçon (SPD) muss sie laut Koalitionsvertrag umsetzen, doch er ist glühender Verfechter der echten Ganztagsschule. Deren Zahl steigerte er auf 31, jeder dritte Schüler nutzt inzwischen dieses Angebot. Damit liegt das Saarland bundesweit etwas unter dem Schnitt (39,3 Prozent). Alles im Trend, alles gut?

Nicht ganz. CDU-Bildungspolitiker erinnerten ihren SPD-Partner in diesen Tagen daran, dass die Mehrzahl der Kinder gar nicht in echten Ganztagsschulen betreut werden, sondern FGTS besuchen. An 279 Standorten sind das 21 000 Kinder, dreimal so viele wie in echten Ganztagsschulen. Sie bekommen eine einstündige Hausaufgaben-Betreuung durch Lehrer und nehmen bis 15 Uhr oder bis 17 Uhr an Aktivitäten teil, die Ehrenamtler, keine Lehrer, durchführen. Eine Benachteiligung? Von pädagogisch wenig gehaltvoller „Kinder-Aufbewahrung“ spricht die Landeselterninitiative Saar. Doch auch der eher konservative Saarländische Lehrerinnen- und Lehrerverband (SLLV) hat sich vor Monaten kritisch geäußert.

 Würde die FGTS zum Auslaufmodell, dann würde das CDU-Grundfesten erschüttern. Denn für die Konservativen garantiert nur die FGTS „Wahlfreiheit“ der Eltern und „Freiwilligkeit“. CDU-Bildungspolitiker Frank Wagner ist zudem überzeugt, dass die Mehrheit der Eltern just die FGTS bevorzugen. Eine tollkühne Behauptung? Liegt der Anmeldungs-Zuwachs bei den FGTS doch bei nur zwei Prozent, während die echten Ganztagsschulen ein Plus von zwölf Prozent melden. Doch das sagt weniger aus als vom Bildungsminister hineininterpretiert. Denn da die FGTS bereits seit Jahren flächendeckend existieren, flacht ihr Wachstum nun mal ab. 

Freilich ist jetzt ein offener Wettstreit zwischen den beiden Schulformen entfacht, eine Aufholjagd der FGTS in Sachen Qualität. Wenn die CDU von „Gleichwertigkeit“ mit dem Angebot an echten Ganztagsschulen spricht, ist klar, was gemeint ist: mehr Lehrer in die Nachmittagsbetreuung. Das Lehrerwochenstunden-Kontingent soll von fünf auf sieben pro Gruppe steigen. Auch will die CDU die FGTS aus dem starren Zeit-Korsett befreien, will Frühbetreuung ab sieben Uhr und Spätbetreuung bis 18 Uhr. Kurz: Die FGTS soll zeitgemäßer und attraktiver werden. Wer wollte da was dagegen haben – diejenigen durchaus, die die knappen Geld- und Personal-Ressourcen lieber ins Modell der echten Ganztagsschule stecken würden. Es sind dies die „Feinde“ aus alten Tagen, neben der Landeselterninitiative mutmaßlich die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Willkommen im alten Lagerdenken. 

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