Bayerische Komplexe

Politik kann offenbar sehr einfach sein. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU ) hat jetzt bekräftigt, dass die Pkw-Maut für alle Straßen "keine negativen Auswirkungen auf Grenzregionen" haben werde.

Großartig! Der Minister beschließt, dass es keine Probleme geben wird. Eine neue, progressive Form der Politik, um mit der Vignette Ausländer zur Kasse zu bitten, damit das marode Straßenwesen in Deutschland endlich saniert werden kann.

Horst Seehofer ist mit seinem Zögling Dobrindt jedenfalls zufrieden. Auch auf den SPD-Kollegen Sigmar Gabriel ist der CSU-Chef gut zu sprechen, zumindest was die Maut betrifft. Der sonst so sprunghafte Genosse hatte sich konziliant gegeben und auf die Gleichwertigkeit von Mindestlohn und Maut hingewiesen. Beides stehe im Koalitionsvertrag . Das stimmt - aber in dem 185-Seiten-Wälzer steht noch viel mehr. Dass sich die CSU nun vor allem auf drei kurze Sätze unter "Punkt 1.3. Infrastruktur" versteift, ist auf eine neurotische Störung ihres Vorsitzenden zurückzuführen.

Seit seinem Amtsantritt versucht Seehofer, bajuwarische Komplexe mit Drohgebärden zu kompensieren. Mit der Maut aber die Koalitionsfrage zu verknüpfen, ist verantwortungslos. Zumal das CSU-Konzept wie ein schlechter Witz daherkommt: Erstens ist es nicht EU-rechtskonform; zweitens bringt die Vignette wenig Geld, aber viel Bürokratie; und drittens taugt sie nicht als ökologisches Steuerungsinstrument, weil ein professioneller Vielfahrer genauso viel zahlt wie ein privater Gelegenheitsfahrer.

Es ist zweifellos das gute Recht der CSU , eigene politische Pläne zu verfolgen und um Mehrheiten zu kämpfen. Wenn es mangels Attraktivität der Vorschläge aber düsterer Drohungen bedarf, spricht daraus die innere Schwäche einer Regionalpartei, die außer bayerischer Folklore und der Apotheose ihres Übervaters Franz Josef Strauß nicht mehr viel zu bieten hat. Man hat es schon beim Betreuungsgeld gesehen, das ebenfalls nur auf brachialen Druck der CSU zustande kam. Jetzt hat eine Studie bestätigt, dass der Nachwuchs von sozial schwachen Familien von frühkindlicher Bildung ausgeschlossen bleibt, weil die Eltern lieber das Geld kassieren. Das soll kluge Politik sein?

Übrigens hat sich ausgerechnet die Bundeskanzlerin in der Mautfrage klar positioniert: "Mit mir wird es keine Maut für Pkw geben", hatte sie im Wahlkampf versprochen. Aber Angela Merkel schaut ja auch wortlos zu, wenn die Union gerade selbst ein Ziel des Koalitionsvertrags blockiert, die Frauenquote nämlich. Wortführer hierzu bei der CSU : Alexander Dobrindt . Als Fazit bleibt die Erkenntnis, dass insbesondere Horst Seehofer so zur Symbolfigur einer Trotz- und Drohpolitik wird, die im Volk genau das produziert, was wir alle eigentlich verhindern wollen: Verdrossenheit.

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