Ausgerechnet Obama lässt Afrika links liegen

Washington · Es waren poetische Worte, mit denen Barack Obama seine erste Reise nach Afrika beschrieb, 1988, im letzten Sommer vor dem Jurastudium in Harvard. Die drei Wochen in Kenia, intensive Gespräche mit seinen Verwandten, eine Fahrt zu den Gräbern von Vater und Großvater, das alles ließ ihn begreifen, wie eng seine Lebenserfahrungen in Amerika mit diesem fernen Land verbunden waren.

"Meine Fragen waren die meiner Brüder. Ihr Kampf war mein Geburtsrecht", schrieb er in seiner Autobiografie "Dreams from My Father".

Nun besucht er Kenia erstmals als Präsident, und auf die Reporterfrage nach seinen Empfindungen klang er dieser Tage erstaunlich reserviert. "Ganz ehrlich, Kenia als Privatbürger zu besuchen macht vielleicht mehr Sinn, denn dann komme ich auch mal raus aus einem Hotel oder einem Kongresszentrum", sagte Obama. Gleichwohl hoffe er, mit dem Trip eine Botschaft senden zu können: Dass Amerika ein starker Partner sei, und zwar für das gesamte Afrika südlich der Sahara.

Doch selbst von wohlwollenden Kommentatoren muss sich Obama den Vorwurf anhören, dass ausgerechnet er diese Partnerschaft arg vernachlässigt hat. Auf der Prioritätenliste des Weißen Hauses rangiert das subsaharische Afrika ziemlich weit unten, zu intensiv ist man mit anderen Themen beschäftigt, von Iran und Kuba bis hin zu Ukraine und Irak. Zwar richtete Washington im vergangenen August einen USA-Afrika-Gipfel aus, zu dem über 40 Staats- und Regierungschefs anreisten. Aber Zählbares kam kaum heraus. Im Vergleich zu seinen Vorgängern im Amt wirkt Obama, wenn es um Afrika geht, merkwürdig passiv.

Bill Clinton erwarb sich einen Ruf als Förderer der Wirtschaft des Kontinents - per Gesetz befreite er die Importe aus rund 40 subsaharischen Ländern von Zöllen. George W. Bush machte Milliarden für die Aidshilfe locker, wofür sogar der Rocker Bob Geldof das Kabinett als "die radikalste pro-afrikanische US-Regierung seit Kennedy" lobte. Obama dagegen begnügte sich mit eher symbolischen Gesten. Sein Vorzeigeprojekt ist die Power-Africa-Initiative, vor zwei Jahren gestartet mit dem Ziel, 60 Millionen Haushalte und Firmen auf dem Kontinent mit Strom zu versorgen. In der Praxis beschränkt sie sich allerdings auf sechs Länder (Äthiopien, Ghana, Kenia, Liberia, Nigeria und Tansania) und ist über Ansätze nicht hinausgekommen.

Wenn es ein Motiv gibt, das die Amerikaner zum Handeln anspornt, dann am ehesten die Rivalität mit China. Wenn die Chinesen investierten, meint Sicherheitsberaterin Susan Rice, geschehe dies vor allem zu dem Zweck, sich der Schätze Afrikas zu bemächtigen. Die USA dagegen sähen den Kontinent "weder als Pipeline, durch die Ressourcen abfließen, noch als Trichter, in den man Almosen schüttet". Man wolle vielmehr helfen, Jobs zu schaffen und Konflikte zu lösen.

Obama selbst bereiste in sechseinhalb Amtsjahren gerade mal vier Länder südlich der Sahara: 2009 war er in Ghana, 2013 in Südafrika, Senegal und Tansania. Bei der zweiten Reise sollte auch Kenia auf dem Programm stehen, doch das Oval Office kippte den Plan, damit niemand sagen konnte, man gebe einem korrupten Autokraten die Ehre. Staatschef Uhuru Kenyatta sollte sich vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag verantworten, Anstiftung zu Mord, Vergewaltigung und Verschleppung wurde ihm vorgeworfen. Erst mit der Einstellung des Verfahrens war der Weg frei für den Trip des "verlorenen Sohns" nach Nairobi.

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