Aus der Hochzeit zu dritt wird eine neue Kirche

Ratzeburg. Es war nur eine kurze Schrecksekunde: Eine Mineralwasserflasche explodierte, als Bundespräsident Joachim Gauck zusammen mit Schleswig-Holsteins Regierungschef Peter Harry Carstensen (CDU) im Domhof von Ratzeburg auf einer Bierzelt-Garnitur Platz nahm. Der guten Stimmung tat der Vorfall freilich keinen Abbruch

Ratzeburg. Es war nur eine kurze Schrecksekunde: Eine Mineralwasserflasche explodierte, als Bundespräsident Joachim Gauck zusammen mit Schleswig-Holsteins Regierungschef Peter Harry Carstensen (CDU) im Domhof von Ratzeburg auf einer Bierzelt-Garnitur Platz nahm. Der guten Stimmung tat der Vorfall freilich keinen Abbruch. Fast 20 000 Menschen hatten sich am Pfingstsonntag in der Kleinstadt versammelt, um die Gründung der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche in Norddeutschland zu feiern. Der frühere mecklenburgische Pastor Gauck durfte da nicht fehlen.Im Norden Deutschlands schlossen sich die Landeskirchen Mecklenburg, Nordelbien und Pommern zusammen, es ist die erste Vereinigung von Kirchen der ehemaligen DDR und der alten Bundesrepublik. In der Nordkirche hätten sich jedoch nicht nur Ost- und Westdeutsche angenähert, sagte ein sichtlich gut gelaunter Gauck im Ratzeburger Dom. Er selbst kenne noch aus seiner Pastorenzeit die "herzlichen Gefühle", die Mecklenburger und Pommern füreinander hegten, formulierte er süffisant. Gauck warnte aber auch vor überzogenen Erwartungen. Die Kirchen in Ost und West hätten sich über viele Jahre unterschiedlich entwickelt. "Es wäre töricht, das zu verschweigen", sagte der Bundespräsident, der sich bei seinem Ratzeburger Auftritt nicht als politischer Repräsentant sah, sondern als "Christenmensch".

Die neue Nordkirche ist die fünftgrößte Landeskirche in der Evangelischen Kirche Deutschlands (EKD). Zwischen List auf Sylt und Heringsdorf auf Usedom wird sie rund 2,2 Millionen Gemeindeglieder haben. Im Januar hatte eine gemeinsame Synodaltagung die Fusion der drei Landeskirchen beschlossen, die in der Nacht zu Sonntag in Kraft trat. Auslöser war insbesondere die Situation der Pommerschen Evangelischen Kirche: Die demografische Entwicklung im östlichen Teil Mecklenburg-Vorpommerns hatte die zuletzt noch 95 000 Gemeindeglieder zählende Landeskirche an den Rand der Handlungsunfähigkeit gebracht.

Der EKD-Ratsvorsitzende Nikolaus Schneider würdigte beim Ratzeburger Festgottesdienst die Konzeption der neuen Kirchenverfassung als "Jahrhundertwerk". In der Tat ist die Nordkirche mit ihren fünf Bischofssitzen bundesweit einzigartig. Einmalig ist aber auch, dass in den fünf Jahren Verhandlungs-Marathon bis zur Fusionsfeier alle entscheidenden Abstimmungen glatt über die Bühne gingen. Geschafft haben es die drei beteiligten Landeskirchen nur deshalb, weil sie viele Kompromisse schlossen. Dazu zählen nicht nur das Arbeitsrecht und die Gehaltsunterschiede zwischen Ost und West, für die Übergangsfristen zur Anpassung ausgehandelt wurden. Auch der Festort Ratzeburg war Sinnbild für einen Kompromiss: Die Stadtkirche zählte bislang zu Nordelbien, die Domhalbinsel zur Landeskirche Mecklenburg. Auch künftig behält der Dom seine Sonderstellung. Und der Domgeistliche Gert-Axel Reuß darf sich - als einziger Mensch in der Nordkirche - weiter "Domprobst" nennen, nach alt-mecklenburgischer Schreibweise mit "b".

Die neue Nordkirche nimmt nun bereits ihre nächsten Termine ins Visier: Die konstituierende Synode wird erstmals im November in Travemünde zusammenkommen. Dort steht unter anderem die Vorbereitung der Wahl des Landesbischofs im Frühjahr 2013 auf der Tagesordnung.

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