Aufbruch zu längst verlassenen Ufern

Berlin · Höherer Spitzensteuersatz, Stopp der Rente mit 67, Wiedereinführung der Vermögensteuer - der gestern bekannt gewordene Forderungskatalog einer Gruppe linker SPD-Bundestagsabgeordneter liest sich wie die Rückkehr zu alten sozialdemokratischen Ufern.

Mit dem Papier, das unserer Zeitung vorliegt, wollen die Initiatoren eine Debatte über die Ausrichtung der Partei für die nächste Bundestagswahl anstoßen.

Der Vorstoß unter der Überschrift "Profil schärfen - sozialdemokratischer Aufbruch" ist offenkundig als Kritik an Parteichef Sigmar Gabriel gedacht. "Es reicht nicht, vor Wahlen die soziale Karte zum Beispiel für ein Sozialpaket zu ziehen", heißt es in dem sechsseitigen Papier - das zielt klar gegen Gabriels Forderung im Vorfeld der drei Landtagswahlen vom vergangenen Wochenende. Vielmehr, so meinen die Autoren, müsse die SPD eine Orientierung bieten "gegen politische Resignation und Spaltung der Gesellschaft". Soziale Gerechtigkeit sei die Kernkompetenz der SPD , sagte der Vorsitzende des Arbeitnehmerflügels der Partei (AfA), Klaus Barthel, unserer Zeitung. Also müsse die Partei auch danach handeln.

Neben Barthel gehören die Gesundheitspolitikerin Hilde Mattheis, die Verdi-Bezirksleiterin von Baden-Württemberg, Leni Breymaier, und einige weitere SPD-Linke zu den Erstunterzeichnern des Papiers. Man rechne auch noch mit weiteren Unterstützern aus den Bundesländern, erklärte Barthel.

In dem Strategiepapier beklagen die Autoren, dass die "Re-Sozialdemokratisierung" der Partei immer wieder durch "widersprüchliche politische Botschaften konterkariert" worden sei. Nun gelte es, das Vertrauen in sozialdemokratische Versprechen nach einer menschlicheren, gerechteren und friedlichen Gesellschaft zu erneuern. Konkret fordert die Gruppe um Barthel zum Beispiel, die stufenweise Anhebung des gesetzlichen Rentenzugangsalters zu stoppen. Derzeit kann man im Alter von 65 Jahren und fünf Monaten abschlagsfrei in Rente gehen. Laut Gesetz steigt die Schwelle bis 2029 auf 67 Jahre an. Außerdem machen sich die SPD-Linken für ein Rentenniveau stark, das "deutlich oberhalb von 50 Prozent" liegen soll. Die geltende Gesetzeslage sieht vor, dass das Rentenniveau bis zum Jahr 2030 auf 43 Prozent sinken kann. Derzeit liegt es bei rund 48 Prozent. Außerdem soll der Spitzensteuersatz spürbar steigen - nach Angaben von Mattheis von 42 auf satte 52 Prozent. Obendrein pocht die Gruppe auf eine Wiedereinführung der Vermögensteuer. Und die Schuldenbremse soll durch eine "goldene Regel" ersetzt werden, die eine Neuverschuldung in Höhe der Netto-Investitionen zulässt.

Die Forderungen der SPD-Linken sind nahezu deckungsgleich mit denen der Linkspartei. Und sie würden alle Einschnitte rückgängig machen, die die Genossen in der Zeit von der rot-grünen Bundesregierung bis zur jetzigen großen Koalition mitbeschlossen und teils selbst initiiert haben. In dem Papier würden Punkte genannt, die in der aktuellen Situation geklärt werden müssten, sagte Barthel mit Blick auf das Erstarken der AfD und die schlechten Wahlergebnisse seiner Partei am vorigen Sonntag. Der Gruppe geht es um Anstöße für das Regierungsprogramm zur Bundestagswahl 2017. Die Eckpunkte dafür, mahnt Barthel, müssten frühzeitig entwickelt werden und nicht erst im Wahlkampf.

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