Auf Leben und Tod

Bahnt sich da ein weiterer Koalitionskonflikt an? Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) macht sich für eine neue Regelung zur Sterbehilfe stark. Doch nichts dergleichen findet sich im Koalitionsvertrag.

Dass das sensible Thema viel gesellschaftlichen Konfliktstoff bietet, hat schon die Jahre lange Diskussion um die Verbindlichkeit einer Patientenverfügung gezeigt. Gleich drei fraktionsübergreifende Vorlagen standen dazu im Bundestag seinerzeit zur Debatte. Und im Kern ging es stets um die Frage, in welchem Maße der Wille des Schwerstkranken gegen lebensverlängernde Maßnahmen berücksichtigt werden muss, ob ihm ein qualvolles Sterben zugemutet werden soll, oder vielleicht doch ein Behandlungsabbruch die (Er)-Lösung bringt. Diese zutiefst ethische Überlegung hat freilich auch eine juristische Kehrseite. Inwieweit soll das Strafrecht in das Selbstbestimmungsrecht für ein menschenwürdiges Lebensende eingreifen?

An dieser Frage über Leben und Tod schieden sich in der letzten Wahlperiode die schwarz-gelben Geister. Während die FDP auf Gewinnstreben angelegte Beihilfe zur Selbsttötung per Gesetz verbieten wollte, plädierte die Union auch für die Einbeziehung von Sterbehilfevereinen, die diesen Zweck nicht ausdrücklich verfolgen, sondern die Sterbehilfe ideologisch befürworten. Weil die Fronten darüber so verhärtet waren, lässt eine konkrete Reglung auf sich warten. Das Verdienst Gröhes besteht darin, das Thema erneut auf die Tagesordnung gesetzt zu haben. Man kann es nicht aussitzen.

Gerade vor dem Hintergrund der wachsenden Alterung darf der Freitod in einer humanen Gesellschaft nicht salonfähig, "Lebensmüdigkeit" nicht zum Massenphänomen werden. Daher verbieten sich alle gewerbsmäßigen Aktivitäten, die das begünstigen. Deshalb ist ein Gesetz dringend geboten. Allerdings wäre es verfehlt, die geltende Rechtslage im Grundsatz über Bord zu werfen. So ist die aktive Sterbehilfe in Deutschland verboten, die Beihilfe zum Selbstmord dagegen nicht. Es gibt also einen legalen Freiraum für den Tod, auch wenn die biologische Uhr noch nicht abgelaufen ist. In einer schier ausweglosen Situation unerträglicher Schmerzen etwa oder bei einer tiefen Depression. Doch das sind Ausnahmen. Grenzfälle einer individuellen Entscheidung.

Eigentlich müsste das SPD-geführte Justizministerium die Initiative ergreifen. Ein neues Gesetz liegt in der Zuständigkeit von Heiko Maas. Wenn nicht, bliebe immer noch die Möglichkeit, aus der Mitte des Parlaments heraus zu handeln. Mit einer eigenen Initiative. Das Thema ist jedenfalls zu wichtig, als dass sich eine Bundesregierung darüber erneut in fruchtlosem Streit erschöpfen darf.

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