Armee und Sesselpupser

Meinung · Eine BeschwerdeInstanz, und das ist der Wehrbeauftragte des Bundestages, ist für Lob nicht zuständig. Auch liegt es in der Natur der Sache, dass sich ein Ombudsmann wie Reinhold Robbe zunächst bei den Soldaten profilieren will, die sich ihm anvertrauen. Insofern ist das Bild verzerrt, das sein gestern veröffentlichter, gut 100 Seiten starker Jahresbericht zeichnet

Eine BeschwerdeInstanz, und das ist der Wehrbeauftragte des Bundestages, ist für Lob nicht zuständig. Auch liegt es in der Natur der Sache, dass sich ein Ombudsmann wie Reinhold Robbe zunächst bei den Soldaten profilieren will, die sich ihm anvertrauen. Insofern ist das Bild verzerrt, das sein gestern veröffentlichter, gut 100 Seiten starker Jahresbericht zeichnet. Aber mit dem Hinweis auf ein paar schwarze Schafe oder Einzelfälle, wie sie immer und überall mal vorkommen können, kann man seine Zustandsbeschreibung auch nicht so einfach wegschieben. Dazu wiederholt sich das Bild in jedem Jahr viel zu sehr. Dazu verbessert sich insgesamt zu wenig. Die von Robbe aufgelisteten 5700 Fälle von Missmanagement, schlechter Führung und fehlender Ausrüstung sind die Spitze eines Eisberges - und wie bei diesem mindestens mit sieben zu multiplizieren. Die Bundeswehr ist dadurch zwar keine lächerliche Schießbudenarmee. Aber sie ist noch lange nicht das, was man sich unter einer Armee im Einsatz vorstellt: gut ausgebildet und bezahlt, bestens ausgerüstet, schlank geführt. Und deshalb hoch motiviert, den Kopf hinzuhalten, für uns daheim, für vertriebene Kosovaren oder unterdrückte Mädchen in Afghanistan. Robbes Jahresbericht zeigt, dass es da auch noch eine Armee der Bürokraten und Sesselpupser gibt, die den Einsatzkräften das Leben schwer macht. Die Reste der alten Strukturen, der großen Festlandsarmee, die einst dem Feind im Osten trotzen sollte und fast 50 Jahre in den Kasernen hockte, ohne je einen Schuss abgeben zu müssen, setzen sich auch in der neuen Zeit fort. Sie kosten Geld, das für Anschaffungen fehlt, Personal, das im Einsatz fehlt, und Zeit, die allen fehlt. Am deutlichsten ist die Misere bei der von Robbe zu Recht angeprangerten Trennung von Bundeswehr und Wehrverwaltung zu erkennen. Es gibt auch nach der Bundeswehrreform immer noch erhebliche strukturelle Defizite wie diesen, die für Verschleiß sorgen. Die Politik setzt sich nur halbherzig mit diesen Problemen auseinander und ist weder bereit, für mehr Geld zu sorgen, noch für modernere Strukturen, noch für mehr Rechtssicherheit. Die Bundeswehr im Einsatz ist kein Winner-Thema, mit dem man in der Öffentlichkeit glänzen kann. Andererseits: Dieses Land schickt seit mehr als zehn Jahren mit großen Mehrheiten des Bundestages Soldaten in Kampfgebiete. Was dort geschieht und wie diese Soldaten zurückkommen, das interessiert dann keinen mehr so richtig. Schäbig ist das schon.

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