Debatte um Baerbock und die Benzinpreise Wahlkampf heizt Klimaschutz-Debatte auf

Berlin · Die Debatte um Baerbock und die Benzinpreise zeigt, wie groß das Skandalisierungspotenzial des Themas ist.

 Ein Shitstorm traf Annalena Baerbock, Kanzlerkandidatin der Grünen.

Ein Shitstorm traf Annalena Baerbock, Kanzlerkandidatin der Grünen.

Foto: dpa/Michael Kappeler

Man konnte darauf wetten, dass mit dem Klimaschutz populistischer Wahlkampf betrieben werden würde. Jetzt ist er bereits da. Annalena Baerbocks Ansage, dass der CO2-Preis bis 2023 auf 60 Euro und in der Folge der Spritpreis um 16 Cent steigen solle, hat einen regelrechten Shitstorm ausgelöst. Er wird noch dadurch verstärkt, dass das Benzin aufgrund der Preisentwicklung auf dem Weltmarkt sowieso gerade teurer wird. Schlechte Zeiten für eine sachliche Debatte.

Die AfD reagiert am schärfsten, hat es aber auch am einfachsten. Sie erklärt den menschengemachten Klimawandel einfach für nicht existent – dann muss auch nichts geschehen. Doppelzüngiger ist da die Linke. Ihre Fraktionschefin Amira Mohamed Ali und Vorgängerin Sahra Wagenknecht attackieren den Vorstoß der Grünen-Kanzlerkandidatin als „sozial arrogant“ – ohne freilich eine Alternative zu nennen. Dabei gibt die Linke vor, selbst auch für den Klimaschutz zu sein. Dass die Grünen die Einnahmen aus steigenden CO2-Preisen vollständig in Form einer jährlichen Zahlung an alle Haushalte zurückgeben wollen, was bei Geringverdienern und Niedrigverbrauchern die Mehrkosten mehr als ausgleicht, verschweigt die linke Konkurrenz. Ebenfalls, dass die Grünen mit dem Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs und der E-Mobilität durchaus Wege anbieten, die es etwa Pendlern ermöglichen sollen, den neuen Kosten auszuweichen.

Auch Teile der Union beteiligen sich an der Kritik – und verschweigen, dass auch ihre Partei steigenden CO2-Preisen zugestimmt hat. Seit Beginn dieses Jahres kassiert der Staat 25 Euro je Tonne, 55 Euro sollen es bis 2025 werden. Das sind dann jene 16 Cent mehr fürs Benzin, über die Baerbock sprach. Die Grünen wollen es etwas schneller machen, das ist der ganze Unterschied. Wegen der CO2-Bepreisung wurde übrigens die Pendlerpauschale bereits erhöht, was alle plötzlich vergessen zu haben scheinen. Die FDP, die Baerbock ebenfalls kritisiert, will sogar sofort einen freien Markt für den Handel mit CO2-Zertifikaten einführen, ohne staatlichen Eingriff. Die Einnahmen will auch sie in Form der Abschaffung der Ökostrom-Umlage und einer Klimadividende an die Bürger zurückgeben. Was das bedeutet, hat gerade der Verband der Stadtwerke ausgerechnet: Bei einer kompletten Preisfreigabe, wie sie von der Koalition erst ab 2027 geplant ist, würde die Tonne Kohlendioxid rund 300 Euro kosten. Das wären dann über 80 Cent mehr auf jeden Liter Benzin oder Öl.

Ein ähnlicher Streit wie beim Benzinpreis tobt auch um die Aufteilung der zusätzlichen CO2-Kosten für das Heizen. SPD und Grüne fordern, die Vermieter daran hälftig zu beteiligen. Das klingt sozial. Die Union lehnt ab und muss sich als „Vermieterlobby“ beschimpfen lassen. Aber warum sollte der Vermieter zahlen, wenn der Mieter das Thermostat aufdreht? Andererseits haben die Mieter nichts davon, wenn ihr Haus zwar energetisch modernisiert wird und sie Heizkosten sparen, sie dafür aber auf ewig eine hohe Modernisierungsumlage zahlen sollen. Vermieter gegen Mieter auszuspielen, wird den Klimaschutz im Gebäudebereich nicht voranbringen. Hier kann nach Überzeugung vieler Experten nur eine Kombination aus staatlichen Investitionszuschüssen und klar gedeckelter Modernisierungsumlage helfen.

Im Grundsatz sind sich außer der AfD eigentlich alle Parteien einig: Der Klimaschutz muss beschleunigt werden. Aber jeder muss ihn sich leisten können. In der Konsequenz heißt das: fossile Verbrennung verteuern, ökologisches Verhalten belohnen und soziale Probleme ausgleichen. Das ist ohnehin keine einfache Aufgabe. Der Wahlkampf macht sie nicht leichter.

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