Angekündigte Niederlage als Botschaft gegen Hartz IV

Berlin/Köln · Der Kölner Armutsforscher Christoph Butterwegge wird Kandidat der Linken für die Wahl des nächsten Bundespräsidenten - als "Alternative" zum schwarz-roten Favoriten Frank-Walter Steinmeier (SPD ), wie es in der Partei heißt.

In den Medien ist Butterwegge öfter als Mahner gegen Ausgrenzung und soziale Verwerfungen zu hören. Der 65-jährige gebürtige Münsterländer hat den Begriff "Paternoster-Effekt" geprägt. Es soll ein Sinnbild sein für die Kluft zwischen Arm und Reich im Land ("Die einen fahren nach oben, die anderen nach unten"). Im Oktober wurde er als Professor emeritiert. Butterwegge studierte Sozial- und Rechtswissenschaft, Philosophie und Psychologie. Noch als Abiturient trat er in die SPD ein. Dort entwickelte er sich zum linken Parteirebellen. Als Butterwegge die Politik des damaligen Bundeskanzlers Helmut Schmidt (SPD ) in einer DKP-nahen Zeitschrift kritisierte, schloss man ihn vorübergehend aus der SPD aus. Zum endgültigen Bruch mit den Sozialdemokraten kam es im Jahr 2005 wegen der Bildung der ersten großen Koalition unter Kanzlerin Angela Merkel. Seitdem ist er parteilos. Schon damals sympathisierte Butterwegge allerdings offen mit der linken Konkurrenz, die seinerzeit noch PDS und WASG hieß. Auf diesen Parteien würden "die Hoffnungen der linken Sozialdemokraten am ehesten ruhen", meinte der Wissenschaftler.

So wurde auch die spätere Linkspartei auf ihn aufmerksam. Die amtierende Vorsitzende Katja Kipping und der Sozialexperte pflegen einen engen fachlichen Austausch. 2013 ging man gemeinsam vor die Bundespressekonferenz, um eine Auftragsstudie unter dem Titel "Gerhard Schröders Agenda 2010 - 10 Jahre unsoziale Politik" zu präsentieren. Dabei nannte Butterwegge die Agenda-Politik "verheerend, weil sie zu einer bis dahin unvorstellbar krassen Verteilungsschieflage bei den Einkommen und Vermögen führte".

Solche Bekenntnisse machen den Sozialforscher für die Linke jetzt auch deshalb so wertvoll, weil mit Frank-Walter Steinmeier ein Architekt der "Agenda 2010 " zur Wahl in der Bundesversammlung steht. Gegen den schwarz-roten Konsenskandidaten hat Butterwegge zwar keine Chance. Aber mit der personifizierten Anti-Agenda, so das Kalkül, lassen sich gut linke Duftmarken setzen, eine Botschaft gegen Hartz-IV verbreiten. Butterwegge selbst erklärte sich offiziell schon zur Kandidatur bereit. Aber nur, wenn die Linke keine weitere Person nominiere. Die Einschränkung versteht sich als kleiner Seitenhieb auf die chaotische Kandidatenfindung der Linken vor vier Jahren. Auf Initiative von Oskar Lafontaine sollte Butterwegge schon damals ins Präsidentschaftsrennen gehen. Doch es kursierten bereits andere Namen. Um einer internen Kampfabstimmung zu entgehen, erklärte Lafontaines Favorit seinen Verzicht.

Diesmal herrschte in der Partei- und Fraktionsspitze Einigkeit. Dem Vernehmen nach hatte man Butterwegge schon vor sechs Wochen angefragt. Am kommenden Montag sollen die Führungsgremien noch einen förmlichen Beschluss fassen. Anschließend dürfte der Kandidat offiziell präsentiert werden.

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