Analyse Die Zukunft soll nach Omas guter Küche duften

Düsseldorf · Es ist eine Welt, die untergegangen ist. Letzte Spuren finden sich in Jugendbüchern oder bunten Illustrierten aus den 50er und 60er Jahren. Dort ist die Rede von einer grandiosen Zukunft. Von Städten auf dem Grund der Ozeane, der Besiedlung ferner Planeten, von fliegenden Autos und flinken Robotern für alle nur denkbaren Arbeiten.

Einer Welt, in der die Atomkraft Energie im Überfluss bereitstellen würde und deren Verwirklichung für das Ende des 20. Jahrhunderts erwartet wurde – spätestens.

Heute mokieren uns über die unkritische Begeisterung für alles Technische. Und wir vergessen da­rüber gerne, welche ungeheure politische Energie diese Fortschrittseuphorie freigesetzt hat. Die große Fortschrittspartei jener Zeit, man glaubt es kaum, war die SPD. Die optimistische Haltung ist den Sozialdemokraten seither leider gründlich abhandengekommen. Aber auch die anderen Parteien ducken sich gerne weg, wenn es um technischen Fortschritt geht. Die Bedeutung technologischer Innovationen für den Standort Deutschland wird zwar wortreich beschworen. Aber mit konkreten Projekten in den Wahlkampf zu ziehen, das scheint zu heikel. Die Zukunft soll nicht aufregend sein, sondern möglichst viel von der Gegenwart bewahren und gemütlich nach Omas guter Küche duften.

Dieses technologische Duckmäusertum fußt auf der festen Überzeugung, dass der Bevölkerung nichts anderes zuzumuten sei. Richtig ist: In den letzten Jahrzehnten hat sich in Deutschland eine Stimmung breitgemacht, wonach neue Technologien nicht als Chance, sondern vor allem als Risiko wahrgenommen werden.

Im Verlauf der Klimadebatte hat die Sicht, wonach der moderne Mensch das Krebsgeschwür des Planeten sei, noch einmal kräftig Anhänger gewonnen. Und so wird lieber ausführlich über Flug- und Fleischverbote debattiert als über technische Lösungen für Umweltprobleme. Wenn das jetzt wie eine Karikatur grüner Ideologie klingt, dann hat das schon seinen Grund. Schließlich haben die Grünen ihren Aufstieg seit den 80er Jahren wie auch ihren aktuellen Höhenflug in den Meinungsumfragen vor allem der Angst vor einer drohenden Öko-Katastrophe zu verdanken. Über diesen langen Schatten zu springen, fällt ihnen begreiflicherweise schwer. Hinter vorgehaltener Hand fragen sich einige Grünen-Politiker zwar, ob der beschleunigte Atomausstieg angesichts des Klimawandels wirklich eine so tolle Idee war, und der Ur-Grüne Daniel Cohn-Bendit zeigte sich unlängst in der „Zeit“ sogar offen für den Bau neuer Atomkraftwerke – aber bitteschön nur in China.

Im selben Glauben handelte ja auch Angela Merkel, als sie 2011 nach dem Reaktorunglück von Fukushima die gerade erst – auch aus Klimaschutzgründen – beschlossene Laufzeitverlängerung der deutschen AKW wieder kippte. Man kann sich fragen, ob ihre Entscheidung genauso ausgefallen wäre, hätte der CDU bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg damals nicht ein historisches Debakel gedroht (das dann trotzdem eintrat).

Aus Angst vor dem Unmut der Wähler werden auch andere Technologien geopfert, die Gentechnik ist so eine. Wichtige Grundlagen der in der Öffentlichkeit in Bausch und Bogen verteufelten Pflanzengentechnik wurde einst in deutschen Labors entwickelt. Heute haben deutsche Forscher nur noch im Ausland Perspektiven. Natürlich müssen Politiker Rücksicht nehmen auf die Akzeptanz der Bevölkerung. Aber das darf ihr Handeln nicht allein bestimmen. Studien zeigen, dass die Technikfeinde häufig in der Minderheit sind – nur schreien sie  viel lauter. Verantwortliche Wissenschafts- und Technologiepolitik braucht wieder mehr Rückgrat, sie muss sich am langfristigen Nutzen für die Gesellschaft orientieren. Der darf nicht kurzfristigen Profit-Interessen geopfert werden. Aber auch nicht unbegründeten Ängsten und Panikmache.

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