Analyse Plauderei über Kätzchen und Kindererziehung

Paris · Die französische Wochenzeitung Valeurs Actuelles wird nicht wegen ihrer menschelnden Homestorys gekauft. Die rechte bis extrem-rechte Leserschaft labt sich eher an Geschichten, in denen etwa die Gefahren der Einwanderung nach Frankreich beschrieben werden.

 Die Rechtspopulistin Marine Le Pen ist auf Stimmenfang im bürgerlichen Lager.

Die Rechtspopulistin Marine Le Pen ist auf Stimmenfang im bürgerlichen Lager.

Foto: dpa/Stephane De Sakutin

Im März hatte das Magazin allerdings etwas ganz Besonderes zu bieten. Marine Le Pen gab einen der sehr seltenen Einblicke in ihr Privatleben. Die Chefin des extrem rechten Rassemblement National plauderte über Kindererziehung und präsentierte stolz fünf bengalische Kätzchen. Der Leser erfährt, dass die Politikerin bereits sechs Tiere besitzt und inzwischen sogar ein Diplom und damit die Erlaubnis zur Zucht dieser Rasse hat. Die nette Geschichte, dekoriert mit einigen Katzenbildern, machte natürlich die Runde in mehreren französischen Klatschblättern wie Gala und beschrieb eine freundliche Frau, die nicht nur das harte Politikgeschäft im Kopf hat. Marine Le Pen hatte ihr Ziel erreicht, ihr war ein kleiner PR-Coup geglückt.

Dass die rechtspopulistische Politikerin tatsächlich ein großes Faible für Katzen hat, ist ein offenes Geheimnis – sie betreibt sogar einen Instagram-Kanal, auf dem sie einem ausgesuchten Publikum ihre Lieblinge präsentiert. Doch zum ersten Mal in ihrer Karriere versucht sie, einen Vorteil daraus zu ziehen. Denn müssten die Franzosen Marine Le Pen beschreiben, fielen sehr oft die drei Worte: hart, verbissen, rücksichtslos. Angesichts dieser Ausgangslage kann ein weichzeichnender Katzen-Content nicht schaden, schließlich will Marine Le Pen im kommenden Jahr zur Präsidentin von Frankreich gewählt werden. Dazu reichen aber die Stimmen ihrer rechten Hardcore-Wähler nicht aus, also muss sie auch weit im bürgerlichen Lager um Zustimmung buhlen.

Es ist nicht das erste Mal, dass sie am Image feilt. Anders als ihr polternder Vater Jean-Marie Le Pen hat sie erkannt, dass die Präsidentenwahlen in der Mitte gewonnen werden. Aus diesem Grund arbeitet sie seit Jahren daran, ihre Partei auch für bürgerliche Schichten zu öffnen. Dazu schreckte sie auch vor dem politischen Vatermord nicht zurück. Das rechtsradikale Familienoberhaupt wurde von Marine Le Pen kurzerhand aus der Partei geworfen und der Front National wurde in das weniger aggressiv klingende Rassemblement National (Nationale Sammlungsbewegung) umbenannt.

War es über Jahre ihr Ziel, die Stimmen enttäuschter Konservativer und Linker einzusammeln, kann sie nun auch auf desillusionierte Macron-Anhänger hoffen. Ihre Chancen auf den Wahlsieg stehen so gut wie nie zuvor. Während Le Pen im Mai 2017 in der Stichwahl Emmanuel Macron noch deutlich unterlag, muss der Amtsinhaber diesmal ein Kopf-an-Kopf-Rennen fürchten. Nach Gelbwesten-Protesten und einem Zickzackkurs bei der Pandemiebekämpfung halten rund 60 Prozent der Franzosen Macron für einen „schlechten Präsidenten“. Marine Le Pen schlägt immer wieder in diese Kerbe und warnte jüngst, eine zweite Amtszeit für den Staatschef wäre „das größte Unglück Frankreichs“. Auch die linksgerichtete Jean-Jaurès-Stiftung sieht laut einer gerade veröffentlichten Studie eine „nicht unerhebliche Möglichkeit“, dass Le Pen im kommenden Jahr einen Triumph feiern kann.

Nun hat die Rechtspopulistin einen weiteren, kleinen Sieg errungen. Sie ist in einem Prozess um das Verbreiten von Gräuelfotos der Terrormiliz Islamischer Staat freigesprochen worden. Die Veröffentlichung habe einen informativen Zweck gehabt, sei Teil eines politischen Protestes und trage zur öffentlichen Debatte bei, hieß es am Dienstag im Gerichtsurteil. Die Veröffentlichung zu kriminalisieren, sei angesichts des Kontextes ein unverhältnismäßiger Eingriff in die Meinungsfreiheit.

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