Absturz auf der Reeperbahn

Thematisch war diese Wahl ein rein lokaler Urnengang. Niemand wurde in Hamburg bestraft oder belohnt für Aktionen in Berlin. Bundespolitische Folgen hat das Ergebnis aber trotzdem.Für die SPD zum Beispiel.

Wenn der strahlende Sieger Olaf Scholz jetzt als möglicher Kanzlerkandidat gehandelt wird, dann ist das ein Reflex auf die erkennbaren Schwächen von Sigmar Gabriel . Scholz ist in der immer länger werdenden Liste biederer sozialdemokratischer Landesregenten - Weil, Kraft, Dreyer, Böhrnsen, Albig , Müller, Woidke, Sellering - mit Abstand der bundespolitisch Erfahrenste. Und mit dem gestrigen Ergebnis auch der Erfolgreichste. Aber er wird 2017 gegen die übermächtige Angela Merkel nicht antreten wollen. Er wäre ja auch verrückt. Diese Suppe darf Gabriel selbst auslöffeln.

Angesichts der Tatsache, dass die CDU vor vier Jahren noch in Hamburg regierte, ist das Wahlergebnis für sie ein regelrechter Absturz, schon der zweite in Folge. Das zeigt, wie schnell auch eine große Volkspartei ganz unten ankommen kann. Es sollte Mahnung für jede andere sein, egal wo. Außerdem wurde die Union in der Hansestadt wieder einmal auf ihr zentrales Problem gestoßen: ihre nun schon notorische Großstadt-Schwäche. In den 20 größten deutschen Städten tragen nur zwei Oberbürgermeister das Parteibuch der Kanzlerin. Da klafft etwas zwischen Region und Bund mächtig auseinander bei den Christdemokraten.

Merkel hat die Union im Bund zwar gesellschaftspolitisch geöffnet, doch wirkt dieser Kurs in großstädtischen Milieus noch längst nicht glaubwürdig. Nicht bei den dort vorherrschenden Themen von gesunder Ernährung bis moderner Familienpolitik, von ökologischer Stadtgestaltung bis Integration. Oft fehlen auch die geeigneten Personen, die für so etwas stehen, wie in Hamburg einst Ole von Beust . Die CDU muss hier dringend etwas tun.

Für die kleinen Parteien war Hamburg ein Erfolg, und zwar für alle. Kein Wunder, in so einem Umfeld findet jede ihr spezielles Thema. Die AfD hat es mit der inneren Sicherheit zum ersten Mal in ein westdeutsches Landesparlament geschafft und etabliert sich damit weiter. Die Linke kann auf die in Hamburg besonders starke soziale Spaltung verweisen, und die Grünen haben in ihrer Hochburg immer genug Bau- und Verkehrsthemen, um zu punkten. Das alles sagt aber wenig darüber aus, wie diese Parteien in anderen Milieus und Regionen abschneiden werden. Insofern dürfen sich die Kleinen nur für den Moment auf die Siegerseite fühlen. Das gilt übrigens auch die FDP , die gestern endlich mal wieder den Einzug in ein Landesparlament geschafft hat. Die echten Bewährungsproben kommen für sie erst noch. 2016 in größeren Ländern - und 2017 dann im Bund.

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