Steinmeiers besondere Rolle Überraschende Aufgaben für den Bundespräsidenten

Von Thomas Lanig

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier

Foto: dpa/Peter Kneffel

Pyeongchang/Berlin (dpa) Für Frank-Walter Steinmeier war es der Höhepunkt seiner Asienreise: Am Freitag nahm er an der Eröffnung der Olympischen Spiele in Pyeongchang teil. Dass ihn noch während der Feier Nachrichten aus Deutschland vom Unheil seiner SPD ereilten, war sicher ein Dämpfer für die sportliche Begeisterung. In Südkorea war er mehrfach beglückwünscht worden für seinen herausragenden Beitrag zur Bildung einer neuen stabilen Regierung in Deutschland. Jetzt ist wieder vieles ungewiss.

Während in Berlin also gezittert wird, wie es nach dem Rückzug von Noch-Parteichef Martin Schulz weitergeht mit der SPD, gibt Steinmeier den Chefdiplomaten. Bei den Winterspielen findet er sich mittendrin in den Bemühungen um eine Entschärfung des gefährlichen Konflikts um Nordkoreas Atomprogramm. Er mahnt, wie es seine Art ist, zur Besonnenheit und zum Dialog.

„Es sind überraschende Aufgaben hinzugekommen“ – so beschreibt Steinmeier selbst das Jahr seit seiner Wahl zum Staatsoberhaupt am 12. Februar 2017. Der ehemalige Außenminister, der seine SPD-Mitgliedschaft ruhen lässt, hat seitdem viele Reden gehalten und wichtige Reisen unternommen. Aber entscheidend für den Blick zurück ist vor allem ein Datum: der 20. November. Die Sondierungen von Union, FDP und Grünen über eine Jamaika-Koalition waren gerade geplatzt, da trat Steinmeier im Schloss Bellevue vor die Kameras. Die zentrale Passage seiner Ansprache: „Die Parteien haben sich in der Wahl am 24. September um die Verantwortung für Deutschland beworben, eine Verantwortung, die man ... nicht einfach an die Wähler ... zurückgeben kann.“ Alle in den Bundestag gewählten Parteien seien dem Gemeinwohl verpflichtet. „Wer sich in Wahlen um politische Verantwortung bewirbt, der darf sich nicht drücken, wenn man sie in den Händen hält.“

Dieser Appell war an alle gerichtet, aber die SPD musste sich besonders angesprochen fühlen. Ausgerechnet der Mann, den die Sozialdemokraten ins höchste Staatsamt gebracht hatten, schob sie mit diesem Auftritt in Richtung große Koalition: Schluss mit der Debatte über Neuwahl, Minderheitsregierung oder andere Modelle – das war die Botschaft.

Das Grundgesetz hat den Bundespräsidenten zwar mit relativ geringen Kompetenzen ausgestattet, bei der Wahl eines Kanzlers oder einer Kanzlerin gibt ihm Artikel 63 aber weitgehende Kompetenzen – bis zur Entscheidung, einen Regierungschef zu ernennen oder Neuwahlen anzusetzen. Die Verfassung macht ihn zum Herrn des Verfahrens.

Am 22. März 2017 hielt der neue Bundespräsident seine Antrittsrede im Bundestag und nahm sich unerwartet deutlich den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan vor: „Respektieren Sie den Rechtsstaat und die Freiheit von Medien und Journalisten! Und geben Sie Deniz Yücel frei!“, rief er. Der deutsch-türkische Journalist sitzt bis heute noch in Haft.

Immer wieder werden seine Worte im Ausland auch auf ihre innenpolitische Botschaft abgeklopft. So war es, als er Ende Januar nach Jordanien reiste. Die jordanische Zeitung „Al Ghad“ zitierte ihn zur Flüchtlingspolitik mit der Forderung, wieder klarer zwischen Kriegsflüchtlingen und Verfolgten einerseits und Wirtschaftsflüchtlingen andererseits zu unterscheiden. In der innenpolitisch aufgeheizten Debatte um den Familiennachzug fand er damit große Beachtung, auch wenn er nur Kernpunkte seiner Rede zum Tag der Einheit am 3. Oktober wiederholte. Wenige Tage nach der Bundestagswahl, die die rechtspopulistische AfD ins Parlament brachte, hatte Steinmeier vor „Mauern aus Entfremdung, Enttäuschung und Wut“ gewarnt.

Noch hat der 62-Jährige Zeit – auch für Initiativen in der internationalen Politik. Erst einmal muss aber in Berlin eine neue Regierung zustande kommen.

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