Mammutverfahren kostet 60 Millionen NSU-Prozess dürfte im Sommer zu Ende gehen

MÜNCHEN (afp) Der Münchner NSU-Prozess dauert inzwischen gut 400 Prozesstage, das Oberlandesgericht hat zusätzlich etwa 70 Termine bis Ende August angesetzt. Es spricht vieles dafür, dass der Mammutprozess um die rechtsextrem motivierte Mordserie spätestens im Sommer dann aber endlich abgeschlossen wird. Unabhängig davon, wann und welches Urteil gesprochen wird, konnte das Verfahren die Trauer und Wut vieler Angehöriger aber nicht lindern.

Für das nun bevorstehende sechste Prozessjahr des inzwischen gut 60 Millionen Euro teuren Verfahrens stehen noch drei Blöcke an: Die Nebenkläger – also die Vertreter der Angehörigen der zehn NSU-Mordopfer und der Opfer der NSU-Bombenanschläge und -Raubüberfälle – schließen ihre seit mehreren Wochen laufenden Plädoyers ab. Dann sind die Verteidiger der Hauptangeklagten Beate Zschäpe und die Verteidiger der vier mutmaßlichen NSU-Helfer mit ihren Plädoyers an der Reihe. Und am Ende wird der Vorsitzende Richter Manfred Götzl sein Urteil sprechen.

Wie viele Prozesstage diese drei Blöcke in Anspruch nehmen werden, ist allerdings nach allen Erfahrungen des im Mai 2013 gestarteten NSU-Prozesses nicht abzusehen. So gab es zuletzt auch bei den Nebenklageplädoyers immer wieder Verzögerungen. Davor hatte nach den Plädoyers der Bundesanwaltschaft eine Fülle von Befangenheitsanträgen für wochenlange Verzögerungen gesorgt.

Besonders kontrovers dürfte es bei den womöglich im Februar erfolgenden Plädoyers der Zschäpe-Verteidiger werden: Hier sind die ursprünglichen drei Verteidiger mit zwei weiteren zerstritten, die von Zschäpe im Laufe des Prozesses zum Verfahren geholt wurden. Beide Lager werden dennoch das Ziel verfolgen, ihre Mandantin vom Vorwurf der Mittäterschaft an den zehn Morden, zwei Bombenanschlägen und mehr als einem Dutzend Überfällen zu entlasten, die das aus Zschäpe, Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos bestehende NSU-Trio begangen haben soll.

Spannend wird werden, mit welchen Argumenten die Verteidiger die Vorwürfe der Bundesanwaltschaft erschüttern wollen. Diese hatte ihre Forderung nach der Höchststrafe für Zschäpe – also lebenslängliche Haft, Feststellung der besonderen Schwere der Schuld und an die Haft anschließende Sicherungsverwahrung – detailreich begründet. Gestützt wurden die Ankläger dabei von einem psychiatrischen Gutachter, der Zschäpe für voll schuldfähig hält. Er hatte auch festgestellt, dass bei ihr keine Reue zu erkennen sei.

Genau diese fehlende Reue ist es, die viele der Angehörigen nach den Taten nun auch noch am NSU-Prozess verzweifeln lässt. Die Hinterbliebenen hatten sich von Zschäpe Antworten erhofft, warum ausgerechnet ihr Vater, Sohn oder Bruder erschossen wurde. Doch diese Antworten blieben aus.

Dazu kommt ein zweites Thema, das auf dem NSU-Prozess lastet: Es ist der Vorwurf an die Bundesanwaltschaft, nicht genügend nach einem möglichen Netzwerk des im Untergrund lebenden Terrortrios gefahndet zu haben. Den vier mutmaßlichen NSU-Helfern drohen zwar lange Haftstrafen, für den früheren NPD-Funktionär Ralf Wohlleben wie für den Neonazi André E. will die Anklage zwölf Jahre Haft. Aber viele dubios wirkende Zeugen aus der rechten Szene ließen Zweifel aufkommen, dass sich die Gruppe der NSU-Helfer auf vier beschränkt.

Und auch das Auftreten von Zeugen aus den Behörden verstärkte die Verzweiflung nur noch zusätzlich. Mit dem Vorwurf eines „institutionellen Rassismus“ in den Behörden spitzte ein Nebenklagevertreter kürzlich den Eindruck zu, den manche Beamte hinterließen.

Auch wenn das Ende des NSU-Prozesses nun näher rückt – ihren Frieden werden wohl nur wenige der von dem Terror betroffenen Menschen durch das Urteil finden.

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