Lindner und die One-Man-Show-Falle Die FDP steht mal wieder am Scheideweg

BERLIN (dpa) Für das Jamaika-Aus musste FDP-Chef Christian Lindner schwere Prügel einstecken. Die Kritik von außen ist natürlich auch interessengeleitet. So hoffte die Wirtschaft bei einer Regierungsbeteiligung der Liberalen auf einen wirtschaftsfreundlichen Kurs. Die Bedingungen, die die SPD für eine Neuauflage einer großen Koalition jetzt schon stellt, könnten die Sozialabgaben hoch und Unternehmern die Zornesröte ins Gesicht treiben, etwa die paritätisch finanzierte Bürgerversicherung oder ein höherer Spitzensteuersatz.

 FDP-Chef Christian Lindner hat auch 2018 hohe Ziele.

FDP-Chef Christian Lindner hat auch 2018 hohe Ziele.

Foto: dpa/Michael Kappeler

Doch irgendwann werden sich die Kritiker des FDP-Ausstiegs wieder einkriegen. Irgendwann wird auch nicht mehr darüber gerätselt, ob Lindner CDU-Chefin und Kanzlerin Angela Merkel von vornerein auflaufen lassen wollte oder ernsthaft sondiert hat. Am nächsten kam wohl FDP-Vize Wolfgang Kubicki der Situation, als er am Ende der vierwöchigen Sondierungen sagte, das Aus der FDP habe sich schon seit zwei Wochen abgezeichnet. Dass Lindner und Merkel nicht sonderlich miteinander können, konnte teilweise bei den Sondierungen beobachtet werden und wird wohl so bleiben.

Entscheidender ist, was mit der FDP jetzt passiert. Dass Lindner aus Jamaika ausgestiegen ist, ist in der Partei gar nicht sonderlich umstritten, auch wenn sich der eine oder andere gerne in der Regierung gesehen hätte und die Inszenierung des Ausstiegs am Abend des 19. Novembers hie und da als laienhaft kritisiert wird. Lindner stichelt indessen gerne, der einer neuen Generation von CDU-Politikern angehörende Kieler Ministerpräsident Daniel Günther habe Jamaika zustande gebracht – im Gegensatz zu Merkel.

Dass nun der Außenpolitiker Alexander Graf Lambsdorff Parteivize Kubicki beim in der FDP mittlerweile beliebten Merkel-Bashing über den Mund fuhr, hat nicht nur damit zu tun, dass Lambsdorff CDU-Nähe nachgesagt wird, sondern zeigt auch eine gewisse Unzufriedenheit mit dem Agieren der Parteispitze. Lindner hielt den Kreis der liberalen Sondierer bewusst klein – auch, um intern jeden Augenblick die Zügel fest in der Hand zu halten. Leute wie Lambsdorff oder der baden-württembergische FDP-Abgeordnete Michael Theurer standen in der zweiten Reihe und bekamen viele Informationen gar nicht mit. Mit dieser Küchenkabinettstrategie versucht Lindner jetzt offensichtlich auch, die Bundestagsfraktion zu führen und in die Landesverbände hineinzuregieren. Das erzeugt viel Unmut, und könnte ihm auf die Füße fallen, sobald Lindner das erste Mal strauchelt. Um es klar zu sagen: Ohne Lindner gäbe es in dieser Legislaturperiode keine 80 FDP-Abgeordneten. Und diejenigen, die neu sind, sind besonders dankbar. Aber die Dankbarkeit hält nicht die ganzen vier Jahre, wenn Lindner nicht delegiert und die Leute einbindet. Er muss aus der One-Man-Show-Falle rauskommen.

Doch der FDP-Chef scheint immer noch im Wahlkampfmodus. Das legt unter anderem seine Absicht nahe, öffentlichwirksam mit dem aus einer Wahlkampfsendung mit Merkel bekanntgewordenen Pflegeazubi Alexander Jorde zwei Tage verbringen zu wollen, um den Alltag des jeweils anderen kennenzulernen.

Lindner setzt in erster Linie auf junge Leute und Berater. Ältere Abgeordnete wie der angesehene Haushälter Otto Fricke oder der Euro-Skeptiker Frank Schäffler wurden kaltgestellt. Mit jugendlichen Nerds und Unternehmensberatungen allein könne man aber keine Partei der Mitte führen, warnen Beobachter.

Schon beim Dreikönigstreffen in Stuttgart am Samstag bietet sich Lindner die Gelegenheit, der Basis ein Signal auszusenden: Hat er die Schläge weggesteckt, schaut er nach vorne, nimmt er Partei und Fraktion mit? Die Ziele sind jedenfalls hoch. Wenn die Liberalen tatsächlich Ende 2018 nach den Landtagswahlen in Hessen und Bayern mitregieren wollen, kann sich Lindner keine parteiinternen Querelen leisten.

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