„Super-Frans“ Timmermans Brüssels Mann für die ganz schwierigen Fälle

Brüssel „Super-Frans“ wird er von seinen Landsleuten genannt: Frans Timmermans, 56 Jahre alt, Sozialdemokrat. Seit drei Jahren gehört der frühere niederländische Außenminister der EU-Kommission an – nein, das ist bei weitem untertrieben. Von den sieben Vizepräsidenten gilt er als der Wichtigste, die rechte Hand des Kommissionspräsidenten, manchmal sogar so etwas wie sein Double. Zuständig ist er sozusagen für alles, was als zumindest schwierig gilt: EU-Kommissar für bessere Rechtssetzung, interinstitutionelle Beziehungen, Rechtsstaatlichkeit und die Grundrechtecharta, lautet sein Titel.

In dieser Eigenschaft entwarf er den Kurs der EU in der Katalonien-Frage und war federführend für die Auseinandersetzungen mit Polen. „Man stelle sich vor, ein Fußballer verübt ein schweres Foul – einen Tritt ans Knie zum Beispiel, der einen anderen Spieler verletzt. Und der Schiedsrichter denkt: ‚Eigentlich müsste ich ihm jetzt die Rote Karte geben, aber lieber nicht, sonst buhen die Leute auf der Tribüne.‘ Das geht eben nicht.“ So begründete der Niederländer aus Maastricht, nur einen Steinwurf von der Grenze zu Aachen entfernt, dass die Kommission wegen der undemokratischen polnischen Justizreform nun hart durchgreifen wird. Dennoch gab es auch an diesem Tag den Versuch eines Brückenschlags: Drei Monate bekam Polen Zeit, das Verfahren zu stoppen. Auch diese versöhnliche Seite zeigt „Super-Frans“ immer wieder.

Er entstammt einer römisch-katholischen Familie, hat Französische Literatur an der Radboud-Universität in Nijmegen studiert. Nach seiner Tätigkeit als Gastdozent am Institut Clingendael wechselte er ins Außenministerium nach Den Haag. Von dort wurde er in den 90er-Jahren an die Moskauer Botschaft des Oranje-Staates versetzt. Es war eine Zeit, an die er auch am Dienstag erinnerte. Er wisse, sagte Timmermans bei der Bekanntgabe des Polen-Beschlusses, wie das Leben in einem totalitären Staatssystem ablaufe. Deshalb müsse man früh einschreiten.

Brüssel lernte er als Mitarbeiter des damaligen niederländischen Kommissars Hans van den Broek kennen, bevor er als Berater für die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit tätig war. 2014 schickte Premierminister Mark Rutte Timmermans als Kommissar nach Brüssel. Eigentlich sollte der damalige Finanzminister Jeroen Dijssel­bloem den Job bekommen. Doch der hatte sich im Vorfeld der Europawahl mit abfälligen Äußerungen über Jean-Claude Juncker ins Aus polemisiert.

Timmermans ist Vater zweier Kinder aus erster Ehe und er hat zwei weitere Kinder mit seiner zweiten Frau Ingrid, die er 2000 heiratete. In der EU-Zentrale gilt er als Sprachengenie, weil er neben seiner Muttersprache auch fließend Deutsch, Französisch, Englisch, Italienisch und Russisch beherrscht – ein wichtiger Faktor bei Verhandlungen auf dem internationalen Parkett. In seiner Heimat avancierte Timmermans mit der vielleicht wichtigsten Rede seines politischen Lebens im Juli 2014 zum beliebtesten Politiker: Nur vier Tage nach dem Abschuss des Fluges MH-17 über der Ost­ukraine (unter den 298 Opfern waren 198 Niederländer) hielt Timmermans vor der UN-Vollversammlung eine sehr emotionale Ansprache. „Der Tod meiner Landsleute hat ein Loch in das Herz der niederländischen Nation gerissen“, sagte er und musste innehalten, weil er mit Tränen rang. Ein Politiker, der das Leid derer, für die er steht, in Worte fassen kann – das berührte seine Landsleute zutiefst.

Frans Timmermans gilt in Brüssel als einer der wenigen Stars dieser Kommission – und als potenzieller Spitzenkandidat der europäischen Sozialdemokraten bei der nächsten Wahl. Was so viel heißt wie: Timmermans könnte 2019 im Falle eines Wahlsiegs zum Chef der mächtigen EU-Kommission aufrücken.

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