Vorgehen gegen die Türkei Eine klare Reaktion auf Erdogans Willkür

Die Bundesregierung hat mit ihren Maßnahmen gegen die Türkei endlich klar reagiert, aber dennoch nicht übermäßig stark an der Eskalationsschraube gedreht. Auch wenn Ankara die Beschlüsse jetzt als eine Art „Kriegserklärung“ deutet und Präsident Erdogan versuchen wird, daraus innenpolitisch Kapital zu schlagen.

Vorgehen gegen die Türkei: Eine klare Reaktion   auf Erdogans Willkür
Foto: SZ/Robby Lorenz

Berlin hat das Tischtuch weder endgültig zerschnitten noch gar mit gleicher Münze heimgezahlt. Schließlich lässt sich im deutschen Rechtsstaat nicht willkürlich vorgehen, wie es die türkische Justiz derzeit gegen alles und jeden praktiziert. Deswegen war es auch richtig, auf den Erpressungsversuch Erdogans nicht einzugehen. Ein Tauschhandel – deutsche Gefangene gegen türkische Asylbewerber – hätte den Mann am Bosporus in seinem kruden Vorgehen nur bestärkt. Für Deutschland kam das auch nie in Frage. Das hat das Auswärtige Amt immer klar gemacht.

Ohnehin zieht die Koalition in ihrer Türkei-Politik trotz Wahlkampf an einem Strang, selbst wenn der Ton mitunter ein anderer ist. Das ist gut so und vor allem im Interesse der inhaftierten Deutschen. Um sie geht es schließlich. Ihre Freilassung muss das oberste Ziel sein.

Gleichzeitig hat die Regierung sich weitere Optionen gegenüber der Türkei offengehalten und andere Akteure wie die Nato und die Europäische Union ins Spiel gebracht. Was klug und notwendig ist. Denn insbesondere die EU verfügt über die Instrumente, die Erdogan empfindlich treffen würden. Dazu gehört die Streichung der milliardenschweren Vorbeitritts-Hilfen – Geld, das das Land angesichts einer anhaltenden Wirtschaftskrise dringend benötigt. Und als letztes Mittel dann die Aufkündigung der Beitrittsgespräche. Dies fordert das EU-Parlament schon lange. Um all diese Druckmittel anzuwenden, bedarf es europäischer Solidarität und Einigkeit. Noch ist nicht klar, ob alle EU-Länder bereit sind, notfalls diese Schritte mitzugehen. Dies wäre aber wichtig, damit Erdogan die Spannungen nicht als deutsch-türkischen Konflikt oder gar als einer persönlichen Auseinandersetzung mit Kanzlerin Angela Merkel einstufen kann.

Dass die Bundesregierung die Sicherheitshinweise für die Türkei nun verschärft, wird die ohnehin deutlich geringer gewordene Neigung der Deutschen, in das Land zu reisen und dort Urlaub zu machen, noch einmal reduzieren. Die Türkei lebt aber zu einem guten Teil vom Tourismus. Erdogans Politik erweist dem eigenen Land und seinen Menschen einen Bärendienst.

Auch die klare Warnung an die Wirtschaft, nicht dort zu investieren, wo man als Unternehmen ohne Grund zum Terrorverdächtigen wird, dürfte ihre Wirkung nicht verfehlen. Schon jetzt bleiben viele investitionswillige Firmen der Türkei fern. Und die angedachte Deckelung der Exportbürgschaften wird die Bereitschaft der Industrie, sich in der Türkei zu engagieren, weiter verschlechtern. Bleibt letztendlich die Frage, ob das alles Erdogan zur Einsicht bringt. Die Wahrscheinlichkeit dafür ist gering. Leider.

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