8,50 Euro sind nicht das Ende

Unterirdische Bezahlung, schlechte Unterkünfte, teilweise kriminelle Geschäftsmethoden – wenn es eine Branche gibt, in der sich der Raubtierkapitalismus breit gemacht hat, dann ist es die Fleischindustrie. Allein, wer ihren Namen zusammen mit dem Begriff „Dumpinglöhne“ im Internet googelt, kommt auf 10 100 Treffer.

Ganz offenkundig hat der verheerende Ruf dieser Zunft nun auch die Arbeitgeber zum Umdenken bewogen. So, wie das schon bei der Zeitarbeit der Fall war. Nach langem Tauziehen hat man sich nun mit der Gewerkschaft auf einen Mindestlohn verständigt.

Das ist eine gute Nachricht vor allem für die zahlreichen Beschäftigten aus Osteuropa, die in Deutschlands Fleischbetrieben zu Sklavenbedingungen schuften, und denen vom ohnehin schon kärglichen Lohn obendrein noch ein großer Teil für lausige Behausungen abgezogen wird. Bemerkenswert ist ebenfalls, dass die Lohnuntergrenze auch für Werksvertragskräfte gelten soll. Denn diesen Status haben viele Fleischunternehmer für sich stets als Freibrief missdeutet. Nach der Devise, auf fremde Truppen haben wir keinen Einfluss. Mag sein, dass die Fleischpreise künftig anziehen. Doch das lässt sich verschmerzen. Deutschland hat sich nicht nur wegen seiner Massentierhaltung zu einem führenden Fleischexporteur entwickelt. Das Geschäft gedeiht auch dank Billigstlöhnen.

Nun steht die Branche tatsächlich vor einem Neubeginn. Und auch politisch könnten die Karten neu gemischt werden. Bekanntlich hat sich die schwarz-rote Bundesregierung einen flächendeckenden Mindestlohn von 8,50 Euro auf die Fahnen geschrieben. Allerdings soll der erst ab dem Jahr 2017 uneingeschränkt gelten. Schon vor einigen Tagen hatten Gewerkschafter diese Lohnuntergrenze als unzureichend kritisiert, die saarländische Arbeitskammer gar 10,80 Euro gefordert. Was zunächst eher als verirrte Einzelmeinung abgetan wurde, könnte nun eine eigene Dynamik entfalten. Zwar steigt die Fleischindustrie mit einem Mindestlohn von 7,75 Euro ein. Bis Ende 2016 soll er aber auf 8,75 angehoben werden. Wenn dazu eine Branche in der Lage ist, die bis eben noch das soziale Schmuddelkind schlechthin war, dann wirken die schwarz-roten Ambitionen nur noch wenig ehrgeizig. Zeigt die Fleischwirtschaft doch jetzt, was alles möglich ist. Sogar zwischen Ost und West macht ihre Lohnuntergrenze keinen Unterschied mehr. Und das bereits ab Mitte dieses Jahres.

Die SPD wird es deshalb schwer haben, ihre 8,50 Euro weiter als gesellschaftliche Segnung zu verkaufen. Und die Union hat nun mehr Gegenwind für ihren Versuch, Ausnahmen vom generellen Mindestlohn durchzusetzen. Das werden noch spannende Regierungszeiten.

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