Schwieriges Jubiläum Die Nato muss sich ändern, wird aber weiter gebraucht
Es wird ein anstrengender Geburtstagsgipfel. Denn die 29 Staats- und Regierungschefs der Nato müssen in London viel Mühe darauf verwenden, ihre Harmonie zu betonen, während die Unstimmigkeiten längst überwiegen.
Der Streit ums Geld, um die Russland-Politik, um die Verbrüderung einzelner Mitglieder mit Gegnern der Allianz beherrschen die Diskussion. Hinzu kommt, dass die Akzeptanz von militärischen Einsätzen in einigen Ländern derart abgenommen hat, dass eine rationale Auseinandersetzung über Bedrohungen und die imperialistische Politik einiger neuer „Großmächte“ wie China oder der Türkei kaum mehr nüchtern zu führen ist.
Die Nato war einst angetreten, um „mit allen Völkern und mit allen Regierungen in Frieden zu leben“, wie es in der Präambel des Nato-Vertrages heißt. Wer wollte das nicht unterschreiben? Dass Verteidigungsfähigkeit aber auch Rüstung, Truppen und Sicherheitsstrategien heißt, ist unpopulär. Über die begrenzte Einsatzfähigkeit der Bundeswehr witzelt man gerne, die zur Beseitigung der Defizite notwendigen Mittel will man dann aber doch lieber nicht bezahlen. Und die Truppe schon gar nicht einsetzen.
Die Nato mag in die Jahre gekommen sein, überflüssig ist sie deswegen nicht. Weil die Verteidigung des Westens und seiner Errungenschaften keineswegs „obsolet“ geworden ist. Denn es gibt sie weiter, jene Mächte, die man vielleicht nicht als Feinde, aber ganz sicher als Gegner bezeichnen darf, ja sogar muss. Dass Europa sicher ist, mag ein in Deutschland verbreitetes Gefühl sein. Schon die Polen, Tschechen oder Letten denken da verständlicherweise anders. Präsident Wladimir Putin hat nukleare Marschflugkörper installiert, die – von Portugal abgesehen – jede europäische Großstadt erreichen könnten. Nein, die eigene Sicherheit ist immer auch ein Ergebnis von Wehrhaftigkeit. Das Bündnis hatte nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion geglaubt, es könne nun seine Wachsamkeit zurückfahren. Es war ein Irrtum. Und Russland ist keineswegs die einzige Bedrohung des Friedens. Die Gipfelerklärung, die erstmals China in den Fokus rücken soll, weist darauf hin.
Deshalb reicht ein „Weiter so“ nicht. Die Nato hat es bei allem Verständnis für die Einbettung in die internationale Diplomatie und das Primat des Weltsicherheitsrates versäumt, ein politisches Gewicht zu bekommen. Die vom Vertrag legitimierte Freiheit für die Staaten, sich auch ohne die Verbündeten in militärische Konflikte zu stürzen, hat zu Schieflagen geführt, die es unmöglich machten, nach dem Vorbild etwa der EU auf Verhandlungen statt Säbelrasseln zu drängen. Zugleich wurden Sicherheit und Rüstungspolitik immer noch national gedacht, sodass kein europäisch vereinbartes Modellprojekt startete. Das macht auch den jetzt oft zitierten Kurswechsel zu mehr Eigenständigkeit der Mitgliedstaaten zu einem wenig erfolgversprechenden Versuch der USA, sich aus der Verantwortung zu ziehen. Das Bündnis braucht die USA, wie die USA die Europäer brauchen.