Leitartikel Wehrbeauftragte schießt übers Ziel hinaus

Pünktlich zum Start des politischen Sommerlochs hat die neue Wehrbeauftragte Eva Högl eine Debatte über die Wiedereinführung der Wehrpflicht angezettelt.

 Stefan Vetter

Stefan Vetter

Foto: SZ/Robby Lorenz

Ein Schelm, wer da an Profilierung der in diesem Metier eher noch unerfahrenen SPD-Frau denkt. Sonderlich originell ist die Idee freilich nicht. Auch in nachrichtenarmen Zeiten früherer Jahre wurde das Thema immer mal wieder aufgewärmt. Vornehmlich von der Union. Neu an dem Vorstoß ist allerdings die Begründung: Von der Rückkehr zum Pflichtdienst erhofft sich Högl offenbar wahre Wunder im Kampf gegen den Rechtsextremismus in der Truppe. Was das eine mit dem anderen zu tun haben soll, bleibt jedoch rätselhaft. Denn es ist ja nicht so, dass die Bundeswehr nur aus lupenreinen Demokraten bestanden hatte, als die Zwangsrekrutierung noch geltende Praxis war.

Die Wehrpflicht wurde vor nunmehr neun Jahren ausgesetzt. Die Befürchtung, fortan könnten sich in den Kasernen braune Elemente breitmachen, weil es mit einer Berufsarmee dort an der Breite der Gesellschaft fehle, spielte seinerzeit kaum eine Rolle. Im Kern resultierte die damalige Entscheidung aus der schreienden Wehrungerechtigkeit. Durch eine groß angelegte Sparoffensive war die Truppe zusehends geschrumpft. Um den Schein aufrechtzuerhalten, genügte bei der Musterung praktisch schon eine Zahnspange oder Brille, um der Einberufung zu entgehen. Dadurch war nur ein Bruchteil der jüngeren Erwachsenen „wehrdiensttauglich“. Ein Spiegelbild der Gesellschaft war die Bundeswehr somit also schon damals nicht.

Wer nun tatsächlich wieder eine Wehrpflicht ohne die alten Ungerechtigkeiten haben will, der muss auch sagen, wo das Geld dafür herkommen soll. Die nötigen Strukturen für Musterung und Grundwehrdienst kosten zusätzliche Milliarden, die schon eingedenk der riesigen ökonomischen Verluste wegen der Corona-Pandemie nicht zu stemmen sind.

Das Wichtigste aber: Für einen solch einschneidenden Schritt bräuchte es eine sicherheitspolitische Begründung. Högl scheint vergessen zu haben, dass die Wehrpflicht stets mit der Landesverteidigung zu tun hatte. Auch wenn die Welt in den letzten Jahren nicht friedlicher geworden ist, so gibt es doch gottlob keine ausländische Macht, die Deutschlands Grenzen bedroht. Der Kampf gegen den internationalen Terrorismus taugt genauso wenig als Argument für die Wehrpflicht. Dann dafür braucht es Profis und keine Soldaten mit militärischem Schnupperkurs. Beim Kommando Spezialkräfte (KSK), das sich aktuell mit rechtsextremistischen Umtrieben konfrontiert sieht, wären Wehrpflichtige deshalb auch fehl am Platze. Insofern läuft Högls Vorstoß hier ebenfalls ins Leere.

So richtig es ist, braunem Gedankengut in der Truppe den Garaus zu machen, so sehr ist die Wehrbeauftragte dabei über das Ziel hinausgeschossen. Nötig sind eine gute politische Bildung und eine innere Führung, die falsch verstandener Kameradschaft keinen Freiraum lässt. Darauf sollte Högl ihre Energie verwenden, anstatt fruchtlose Debatten zu befeuern.

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