Leitartikel Bei Bahn und Auto scheitert Klimaschutz schon im Ansatz

Der Verkehr war schon bisher der einzige Bereich, der jegliche Klimaschutzanstrengung verweigert hat. Nun ist er der erste Sektor, der mitteilt: Sorry, auch die künftigen Ziele können wir nicht einhalten.

Verkehrskommission scheitert bei Klimaschutz
Foto: SZ/Roby Lorenz

Die von der Bundesregierung eingesetzte Kommission ist an der vergleichsweise bescheidenen Aufgabe gescheitert, den CO2-Aus­stoß bis 2030 um 40 Prozent zu senken. Bis 2050 sollen es aber sogar 80 bis 95 Prozent sein. Das bedeutet dann: So viel Kollektivverkehr wie möglich, also mit Bahn und Bus oder wenigstens in Fahrgemeinschaften. So wenig Individualverkehr wie nötig, und wenn, dann nur elektrisch. Oder per Fahrrad. Möglichst viel Mobilität mit möglichst geringen Umweltfolgen, auch beim Gütertransport. Das alles ist nun wieder Lichtjahre entfernt.

Im Energiesektor ist die Wende gelungen. Weil es starke wirtschaftliche Akteure im Ökostrombereich gab. Und weil den Kunden egal ist, welchen Strom sie verbrauchen, er kommt aus der Steckdose. Die großen Autokonzerne hingegen haben ihre Branche abschirmen können. Sie stützen sich auf Verbraucher, die diese Art der Fortbewegung schätzen. Und auf Politiker, die Angst haben. Vereint haben sie auch jetzt alles verhindert, was den Geschäften zuwiderlaufen würde, ob Tempolimit oder höhere Besteuerung großer Autos.

Was beschlossen wurde, folgt jener Methode, die man seit dem Dieselskandal und den getürkten Verbrauchswerten kennt: Betrug und Selbstbetrug. Zum Beispiel der Plan, bis 2030 zehn Millionen Elektroautos auf die Straße zu bringen. Selbst wenn das erreichbar wäre – inklusive Lade-Infrastruktur – für die CO2-Bilanz ist es ziemlich sinnlos, so lange der Strom nicht komplett erneuerbar ist und die Autos so schwer sind. Ein Elektro-SUV muss aktuell rund 250 000 Kilometer fahren, ehe er klimatechnisch mit einem herkömmlichen Modell mithalten kann. Man rechnet sich die Welt schön.

Ähnlich bei den anderen Vorschlägen: Der Einsatz synthetischer Kraftstoffe, die Erhöhung des Bahnanteils – Luftbuchungen, bestenfalls. Ebenso die versprochene Verdopplung des Fahrradverkehrs. Wo immer in deutschen Großstädten derzeit ein paar Parkplätze für Radwege wegfallen sollen, ist es zuerst die CDU (mit FDP und AfD), die „Ökodiktatur“ ruft.

Die missratene Sache landet nun im „Klimakabinett“ mit Angela Merkel. Ein Instrument liegt dort immerhin noch auf dem Tisch: Eine CO2-Steuer, die der Klimaschädigung einen Preis gibt. Wer mehr ausstößt, zahlt mehr. Das ist marktwirtschaftlich, technologieoffen und, sofern Geringverdiener eine Erstattung bekommen, auch sozial akzeptabel. Aber in Frankreich hat diese Steuer die Gelbwesten-Proteste ausgelöst. Man wird sehen, ob der Mut der Kanzlerin weiter reicht als der von Verkehrsminister Andreas Scheuer, der die Kommissionsarbeit mit Tabus torpediert hat. Wenn nicht, sollte die Bundesregierung bekennen: Sorry, wir werden die Klimaziele von EU und UN nicht erreichen. Nicht heute und nicht morgen. Um ehrlich zu sein: Wir haben es auch gar nicht richtig versucht.

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