Leitartikel Tierschutz ist wichtig, aber es gibt ihn nicht umsonst

Vor Jahrzehnten haben nur echte Ökos dafür gekämpft, dass Hühner nicht in Käfigen gehalten werden und Schweine sich auch mal im Schlamm suhlen dürfen. Inzwischen ist ein weitreichender gesellschaftlicher Wandel eingetreten, dem sich Erzeuger und Politik nicht mehr entziehen können.

Urteil zum Kükenschreddern: Tierschutz kostet
Foto: SZ/Robby Lorenz

Viele Bürger wollen es nicht mehr hinnehmen, dass sie nur noch mit Glück eine Biene summen hören, dass Ferkel ohne Betäubung kastriert werden oder eben Millionen Küken pro Jahr wie Gartenabfälle in den Schredder wandern. Ein solcher Umgang mit den Mitgeschöpfen ist in der Tat heutzutage nicht mehr vermittelbar und entspricht kaum den ethischen Überzeugungen der meisten Menschen. Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig bestätigt dies, auch wenn sich Tierschützer ein sofortiges Verbot des Küken-Schredderns erhofft haben.

Die Botschaft der Richter lautet aber auch: Interessenausgleich braucht seine Zeit. Und das ist ebenfalls richtig. Im Dickicht einer industrialisierten Landwirtschaft allemal. Es ist von Verbraucherseite leicht zu beteuern, man wolle mehr Tierschutz und bessere Haltungsbedingungen, wenn man zugleich nicht bereit ist, für das Schnitzel an der Fleischtheke einige Euro mehr zu bezahlen – oder für das Ei. Gewiss, hier hat sich das Bewusstsein verändert: Immer mehr Verbraucher denken regional. Sie wollen gesunde und fair produzierte Lebensmittel. Ein steigender Anteil insbesondere junger Menschen verzichtet mittlerweile ganz auf Fleisch oder gar tierische Produkte insgesamt. Aber es gibt auch die, die ihre Einstellung durch ein anderes Kaufverhalten zeigen. Diese Verbraucher agieren im Supermarkt vor allem preisbewusst. Sie darf man nicht vergessen. Es ist ihnen auch nicht zu verübeln. Denn nicht jeder Geldbeutel gibt Bio her.

Das ist das Spannungsfeld, in dem sich die Debatte um mehr Tierschutz stets bewegt. Und da ist der Aspekt, dass Bauern mit ihren Betrieben Geld verdienen müssen, noch gar nicht mitberücksichtigt. Der Politik muss man jedenfalls zubilligen, in den letzten Jahren einiges in Sachen Tierschutz unternommen zu haben. Auch mit Blick darauf, das massenhafte Töten von Küken zu beenden.

Schon der Vorgänger der jetzigen Ministerin Julia Klöckner, CSU-Mann Christian Schmidt, ließ nach anderen Möglichkeiten suchen. Klöckner hat diese Linie fortgesetzt – und inzwischen liegen Alternativen vor. Die technische Lösung zur Geschlechtsbestimmung im Ei ist quasi praxisreif, männliche Küken müssen nicht mehr ausgebrütet werden. Mit dieser Methode wird man den unterschiedlichen Interessen so gut es eben geht gerecht.

Nun liegt es an der Ministerin, unabhängig von der Rechtsprechung eine politische Lösung herbeizuführen, damit die Technik endlich auch von den Brütereien flächendeckend eingesetzt wird. Zur Not per Verordnung. Das wird nicht ohne Mehrkosten bleiben. Die wiederum wird der Verbraucher durch etwas teurere Eier übernehmen müssen. Dann aber wird sich zeigen, ob der vielfache Wunsch nach mehr Tierschutz dem Praxistest standhält oder nicht.

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